Stiftungsziele: Alles klar?

Meistens stellt man sich Stifter als Menschen vor, die von einer Idee besessen sind und wissen, was sie bewegen wollen. Und Stiftungen als Einrichtungen, die sich über ihre Absichten klar sind.

In meiner Beratungspraxis erlebe ich immer wieder, dass Beides häufig gar nicht zutrifft. Stifterinnen und Stifter, die ganz deutlich vor Augen haben, wohin die Reise ihrer Stiftung gehen soll, sind bei mir eher in der Minderheit. Stiftungen lavieren häufig zwischen Zwängen und Opportunitäten und verlieren darüber ihren Fokus – oder gewinnen ihn gar nicht erst.

Fatal ist gelegentlich die Verwechselung von Stiftungszielen und Satzungszwecken. Satzungszwecke geben nur eine sehr grobe Orientierung des Stifterwillens und begründen – in Übereinstimmung mit der Abgabenordnung – die steuerliche Gemeinnützigkeit der Stiftung. Da für die „Ewigkeit“ gedacht, sollten sie in den meisten Fällen eher allgemein formuliert sein: Förderung von Wissenschaft, Bildung, Kultur oder was immer. Satzungszwecke lassen sich nur schwer ändern, weil da die Stiftungsaufsicht mitredet. Stiftungsziele müssen natürlich durch die Satzungszwecke gedeckt sein, müssen aber nicht für alle Zeiten handlungsleitend bleiben. Sie sollten in einem internen Strategieprozess durch Stifter, Stiftungsorgane und Akteure der Stiftung erarbeitet werden.

Das Finden von Zielen und Handlungsansätzen mit Stiftern bzw. Stiftungswilligen berührt deren Identität, Lebenserfahrung, Kompetenzen und vielfältige persönliche Konstellationen. Das verlangt einen offenen Beratungs- und Reflexionsprozess mit viel Vertrauen in den Gesprächspartner. Aufwendig kann eine Beratung über Stiftungsziele vor allem dann werden, wenn der Stifter sich über seine Leidenschaften und Interessen sehr unsicher ist.

Anderen Stiftern fällt es schwer, konkretes persönliches Engagement – zum Beispiel Hilfe für Kinder und Jugendliche, Alte und Kranke, Bildung, Kunst, Wissenschaft – strategisch zu betrachten, wie es für eine Stiftung erforderlich ist. Sich persönlich von Nöten und Chancen berühren zu lassen ist etwas anderes als institutionell nach Plan zu handeln. Was als persönliche Einzelfall-Intervention Sinn macht, ist keineswegs deckungsgleich mit erfolgversprechenden Handlungsansätzen einer Stiftung. Diese sollten kriteriengeleitet sein, von Teams getragen werden, kommunizierbar sein und möglichst zu replizierbaren Wirkungsmodellen verdichtet werden können. In solchen Fällen kann Beratung wesentlich leichter beim Fokussieren helfen als wenn das Feld des Engagements noch gar nicht abgesteckt ist.

Auf jeden Fall ist es immer nützlich und inspirierend, Begegnungen mit Akteuren und Projekten zu organisieren. Das mobilisiert mehr Vorstellungskraft als papierene Konzepte.

Bei bestehenden Stiftungen habe ich die Erfahrung gemacht, dass häufig innerhalb von circa 10 Jahren nach Gründung – und bei Umbrüchen wie dem Ableben des Stifters, wesentlichen Veränderungen der Förderlandschaft oder Finanzierung – ein Schärfungsprozess für die eigenen Ziele fällig ist. Ein Bedarf dafür zeigt sich häufig über ausbleibende Erfolge der Förderarbeit oder des Fundraisings, mangelnde öffentliche Resonanz und Konflikte in Stiftungsorganen sowie im Stiftungsteam. 10 Jahre sind auch ein Zeitraum, in dem Einiges an Erfahrung gesammelt wurde, was der Stiftung gut, weniger gut oder gar nicht gelingt. Daraus sollten dann Schlussfolgerungen gezogen werden.

Stiftungsziele sind der Schlüssel für die Positionierung der Stiftung. Dazu gehören eine klare Programmatik sowie Narrative der Stifter- und Stiftungsgeschichte, des Handelns und der Wirksamkeit. Technisch bildet sich das in der Regel in einem Mission Statement oder Leitsätzen, der Stifter-Story und der Start- und Ergebniskommunikation von Projekten bzw. Programmen (Ankündigungen und Ergebnisse) ab. Die Stiftungswebsite sollte diese Positionierung gut wiedergeben.

In der öffentlichen Selbstdarstellung geht es darum, möglichst viel von den Intentionen, Herausforderungen und Erfolgen in personalisierten Geschichten der Geförderten und der Erfahrungen der Stiftungsakteure zu transportieren. Solches „story telling“ ist viel interessanter und überzeugender als Management-„Sprech“.

Stiftungsziele sollten keine Kataloge von allem Wünschenswerten sein. Es braucht eine Hierarchie von Visionen/Werthaltungen sowie eher generell gehaltenen Hauptzielen und schließlich Teilzielen, die mit klaren Operationalisierungsansätzen verknüpft sind. Gerade in Gremiendebatten gibt es eine Neigung, Ziele additiv zu formulieren, um dadurch Konflikten untereinander aus dem Wege zu gehen. Bei begrenzten Ressourcen ist Wirksamkeit aber nur durch klare Fokussierung zu erreichen. Zumindest intern – aber in erforderlichem Umfang auch in der Außendarstellung – sollte klar sein, wofür die Stiftung nicht zur Verfügung steht. Im Umgang mit Zielgruppen und eigenen Entscheidungsprozessen erweist es sich immer wieder als Vorteil, wenn die Stiftung über klare Ausschlusskriterien verfügt.

Von größter Wichtigkeit ist die sorgfältige schriftliche Ausarbeitung von Stiftungszielen und Stiftungsprogrammatik. In der Beratung bin ich immer wieder mit Fällen konfrontiert, in denen alle Beteiligten meinen, sie seien sich einig, worum es in der Stiftung geht und was zum Beispiel die entscheidenden Fundraising-Argumente seien. Wenn ich dann die jeweiligen Aussagen der Einzelnen per Metaplan sichtbar mache, offenbaren sich erstaunliche und überraschende Diskrepanzen.

Strategische Führungskunst besteht schließlich darin, bei aller Treue zu eigenen Grundsätzen auch Gelegenheiten zu erkennen und zu nutzen, die nicht vorausgesehen waren und vielleicht ein Stück neben den formulierten Zielen und Kriterien liegen, wenn sie das Potential haben die Stiftung entscheidend voranzubringen. Man denke zum Beispiel an die Flüchtlingskrise, die bei manchen Stiftungen zu Programm-Modifikationen geführt hat.

Alle Fragen rund um die Positionierung einer Stiftung – die Stiftungsziele, die operative Umsetzung oder die Kommunikation – bedürfen immer der Spiegelung. Das Selbstbild bleibt ohne die Fremdsicht von außen auf jeden Fall unzulänglich. Deshalb ist externe Stiftungsberatung in solchen Prozessen unverzichtbar.

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