Zeitenwende?

Die Klimastiftung MV und das Stiftungsklima in Deutschland

Stiftung beruht auf Vertrauen. Der Stifter vertraut darauf, dass die mit dem Stiftungsgeschäft staatlich genehmigte Satzung und die dort festgelegten Stiftungsziele von der Stiftungsaufsicht auf ihre Einhaltung überwacht werden. Die Stiftungsziele müssen verfassungskonform sein und dürfen Recht und Gesetz nicht widersprechen. Ob sie dem Zeitgeist genügen oder wo sie auf der politischen Beliebtheitsskala rangieren, ist unerheblich. Besteht doch der gesellschaftliche Sinn des Stiftens gerade darin, private Finanz- und Arbeitsressourcen für Ziele und Methoden zu mobilisieren, die vom Mainstream vernachlässigt werden.

Die Treue zu diesen Grundsätzen über den Tod des Stifters oder den Untergang der stiftenden juristischen Person hinaus sicherzustellen, ist Aufgabe der Stiftungsaufsicht. Der Stifter genießt dabei kein Sonderrecht. Einmal genehmigt, hat sich auch der Stifter der Satzung zu unterwerfen. Keinesfalls „gehört“ die Stiftung dem Stifter. Das Stiftungsvermögen gehört sich selbst, das ist einmalig gegenüber allen anderen Vermögen.

Stifter müssen nicht diese Form einer staatlich beaufsichtigten Stiftung bürgerlichen Rechts wählen. Frei von Stiftungsaufsicht und aus eigenem Willen in ihren Zielen änderbar sind zum Beispiel StiftungsGmbH, StiftungsAG oder auch Treuhandstiftungen.

Wenn die öffentliche Hand als Stifter einer Stiftung bürgerlichen Rechts auftritt und damit eine private Rechtsform wählt, hat sie dieselben Rechte und Pflichten wie jeder andere Stifter. Wenn sie Sonderrechte – zum Beispiel der Auflösung einer Stiftung – will, kann sie sich für eine Stiftung öffentlichen Rechts entscheiden, die jederzeit per Parlamentsbeschluss aufzuheben ist. Stiftungen bürgerlichen Rechts genießen dagegen Ewigkeitsrecht, wenn sie nicht ausdrücklich als Verbrauchsstiftung genehmigt wurden.

Das Ewigkeitsrecht kann nicht durch einseitigen Beschluss der Stiftungsorgane ausgehebelt werden. Die Stiftungsaufsicht muss die Aufhebung der Stiftung genehmigen. Genauso wie die Stiftungsorgane kann die Stiftungsaufsicht dabei nicht nach Gefühl und Laune gehen. Vielmehr muss die Verfolgung des Stiftungszwecks objektiv unmöglich werden – zum Beispiel, weil der Zweck erledigt ist (etwa die Herstellung der Deutschen Einheit bei einer Springer-Stiftung nach 1990 oder auch die berühmten wollenen Unterhosen für deutsche Seeleute aus dem 19. Jahrhundert). Oder weil die Stiftung über keine angemessenen Mittel mehr verfügt. Kein Auflösungsgrund ist dagegen etwa fehlende Lust des Vorstands auf weiteres Engagement oder auch eine spätere Straftat/ein Ehrverlust des Stifters. Allerdings ist das Recht auf Stiftung nicht unbegrenzt. Im Fall des Frankfurter Metzler-Entführers wurde es zum Beispiel verneint. Das ist aber vor Gründung und nicht im Nachhinein festzustellen.

Auch wenn diese Konstruktionen so komplex sind, dass selbst manche Stiftungsvorstände sie nicht überschauen, schaffen sie Rechtssicherheit für alle Beteiligten – und zwar nicht nur heute oder morgen, sondern für sehr lange Zeiträume, um nicht gleich von Ewigkeit zu reden. Es ist genau diese Rechtssicherheit auf lange Sicht, die Stifter wünschen. Andernfalls könnten Sie sich zum Beispiel für eine Treuhandstiftung entscheiden, bei der der Treuhänder lediglich der steuerlichen Prüfung durch das Finanzamt unterliegt.

All dies sind für Stiftungsexperten Binsenweisheiten. Gelten sie noch oder stehen wir vor einer Zeitenwende? Diese Frage steht mit der Kampagne gegen die Stiftung für Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern im Raum.

Die „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ wurde von der Stiftungsbehörde des Landes Mecklenburg-Vorpommern am 8. Januar 2021 als rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts anerkannt. Stifter ist das Land Mecklenburg-Vorpommern, das Grundstockvermögen von 200.000 € hatte der Landtag auf Antrag der Landesregierung bewilligt. Dabei war von Anfang an transparent, dass die Stiftung einen ideellen Förderbereich hat, den die Nord Stream 2 AG mit zunächst 20 Millionen € und insgesamt 60 Millionen € ausstattet. Nord Stream 2 ist dabei nicht Stifter, sondern Spender, der nach Satzung nur einen marginalen Einfluss in den Organen der Stiftung ausüben kann. Daneben hat die Stiftung satzungsgemäß einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb etabliert, mit dem die völkerrechtswidrigen extraterritorialen US-Sanktionen gegen den Pipelinebau umgangen werden sollten.

Von Anfang an gab es aus der Klimabewegung eine Protestwelle gegen dieses Projekt, wobei zunächst der Gasbedarf geleugnet, dann das ganze Projekt moralisch infrage gestellt wurde. Allerdings: Die einzige Stiftung in Mecklenburg-Vorpommern, die tatsächlich von der Nord Stream AG gegründet und finanziert wurde, die 2011 gegründete „Naturschutzstiftung Deutsche Ostsee“ in Greifswald, wurde weder 2021 noch nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine von diesen Kritikern attackiert. Dabei spielt gewiss eine Rolle, dass dort BUND und WWF über die Stiftungsmittel verfügen können.

Inzwischen betreiben die Ministerpräsidentin und die Landtagsmehrheit offen die Auflösung der Stiftung und die Ausschüttung ihres Vermögens zu Gunsten der Ukraine. Populistisch wird so Stiftungsrecht mit Füßen getreten. Man kann zum Anliegen, zur Stiftung, zu Spendern und den Rahmenbedingungen vom Klimaschutz bis zum Krieg in der Ukraine sicher unterschiedliche Meinungen haben. Darum soll es hier nicht gehen. Es geht auch nicht darum, ob die Stiftung schon beim Start hätte verhindert werden müssen. Im Zweifel würde der erste Fehler nicht durch einen zweiten geheilt.

Stiftungen brauchen das kritische Feedback der Öffentlichkeit. Kritische Auseinandersetzung mit Stiftungsprojekten und -förderungen ist in Deutschland eher unterentwickelt. Auch im Fall der Klimastiftung geht es überhaupt nicht um die Förderpraxis.

Die Zeitenwende im Stiftungsklima ist fundamental: Wir erleben einen ungeheuren Druck aus der Politik und den Medien auf die Verwaltung und die zuständige Justizministerin, den gültigen Rechtsakt einer Stiftungsgründung zu kassieren, ohne dass irgendwelche rechtlich relevanten Argumente vorgebracht werden.

Wenn das Schule macht, kann sich kein Stifter, keine Stiftung mehr sicher sein, morgen nicht wegen politischer Unliebsamkeiten hingerichtet zu werden. Es fällt nicht schwer, sich mögliche Gründe auszumalen, zum Beispiel (Anti-)Rassismus, Transphobie oder -philie, christlicher oder islamischer Fundamentalismus, (Anti-)Kapitalismus, rechte oder linke Abweichungen, Impfkritik oder -propagierung – wohl gemerkt nicht im Kontext strafrechtlicher Zusammenhänge, die jetzt gar keine Rolle spielen, sondern politischer Lynchjustiz.

„Pecunia non olet“ („Geld stinkt nicht“) sagt ein antiker Spruch, der sich ursprünglich auf die römische Latrinen-Steuer bezieht. Das Stiftungswesen lebt von diesem Grundsatz, dass Geld mit der Einbringung in eine Stiftung durch den Stifter, Zustifter oder Spender gewissermaßen gereinigt wird. Jede Stiftung kann eine Zustiftung oder eine Spende als toxisches Geld ablehnen. Wenn der Eigentumswechsel aber stattgefunden hat, wird im Extremfall aus „Blutgeld“ gemeinnütziges Kapital. Sollte man es besser verbrennen?

Wenn dieses Prinzip infrage gestellt wird, kann man einen Großteil der Philanthropie weltweit in die Tonne treten. Große Vermögen, aus denen sich große Stiftungen speisen, sind meist mehr oder weniger kontaminiert durch unsaubere Geschäftspraktiken, Ausbeutung und Unterdrückung, Umwelt- und Menschheitsschäden, Raubkunst, Kriegsgewinne und selbst Verbrechen. Die Motivation zum Stiften kommt – neben der Imagepflege – ja nicht selten aus dem Willen zu Sühne und Wiedergutmachung. Was sollte man mit Alfred Nobels Stiftung machen, die ihr Geld auch der Verhütung von Unfällen durch das fortschrittliche Dynamit, aber mehr noch der Rüstung und dem Massensterben auf den Schlachtfeldern verdankt? Müssen Nobelpreisträger ihre Preise zurückgeben? Der gegenwärtige Zeitgeist, die Welt in sauberes Weiß und unsauberes Schwarz zu sortieren, kann am Stiftungswesen nur scheitern.

Wenn die Klimastiftung MV durch politischen Druck aufgelöst und ihr Geld satzungs- und rechtswidrig verwendet wird, wird der momentane Beifall groß sein. Der langfristige Vertrauensschaden wäre – über Mecklenburg-Vorpommern hinaus – unermesslich, denn es kann, je nach Macht und Mode, jede Stiftung treffen, wenn Gesetze nicht mehr für alle gleich gelten. Hochachtung verdienen die Stiftungsaufsicht und die Justizministerin von Mecklenburg-Vorpommern, die (noch?) der Hetzjagd standhalten.

2 Reaktionen auf “Zeitenwende?”

  1. Uwe Gutzzmann

    Ich teile Ihre juristische Sicht der Stiftungsproblematik und halte das Bestreben, diese rechtlich offenbar einwandfrei gegründete und genehmigte Stiftung aufzulösen für Populistisch. Politik sollte zu ihrem Fehler stehen und nach geeigneten Lösungen suchen. Meines Erachtens steht der ideelle Stiftungszweck (Klima- und Naturschutz) eigentlich ja gar nicht in Abrede. Wie wäre es denn, wenn die Satzung dahingehend geändert wird, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zur Untertstützung von Nordstream 2 gestrichen wird, da dieser Zweck derzeit unmöglich umzusetzen ist. Die durch die Auflösung vorgesehene Unterstützung müsste (und sollte!) dann aus einem anderen Topf und insbesondere zeitnah erfolgen!

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  2. Inge Schneider

    Lieber Wolf,

    ich hoffe es finden sich genügend Mitstreiter um die Justizministerin um diese hysterischen Reaktionen wegen des Ukrainekriegs ad absurdum zu führen.
    Toller Beitrag von dir! Danke und herzlichen Gruß von
    Inge

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