Stiftungspersonal: missverstanden

Im stiftungsarmen Mecklenburg-Vorpommern wurde gerade eine Stiftung aus der Taufe gehoben, die auch bundesweit beachtlich ist. Die Landesregierung hat im April 2015 eine „Ehrenamtsstiftung MV – Stiftung für Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement in Mecklenburg-Vorpommern“ nach bürgerlichem Recht gegründet.

Gleichzeitig hat die Staatskanzlei vorab schon 7 Stellen – von der Bürosachbearbeitung bis zur Geschäftsführung – ausgeschrieben. Eine so geballte Suche nach Stiftungspersonal ist auch bundesweit eine Rarität. Entsprechend war die Reaktion. Obwohl die Ausschreibungsfrist nur knapp drei Wochen über Ostern lief, sind 1119 Bewerbungen aus ganz Deutschland eingegangen.

Eine andere Reaktion aus dem Ehrenamtssektor, den die Stiftung eigentlich stärken soll, aus Medien und politischer Opposition: Wozu so viel Personal, warum kann ausgerechnet eine Stiftung zur Förderung des Ehrenamts das nicht ehrenamtlich machen? Besser wäre doch, das Geld ganz dem bürgerschaftlichen Engagement zukommen zu lassen.

Nicht selten höre ich auch die Frage, ob Stiftungen überhaupt bezahlte Mitarbeiter haben dürfen.

Beide Reaktionen – die Bewerbungen wie das Unverständnis über den Personalaufwand – sind typisch für die Wahrnehmung von Stiftungsarbeit und gleichzeitig ein Stück weit irrtumsgeleitet.

Die Bewerberzahl reflektiert ein immer noch enormes Interesse am „Arbeitsplatz Stiftung“. Häufig steckt dahinter eine Fehleinschätzung, wie groß das Segment Stiftungspersonal ist. Gelegentlich werden Arbeitsplatzangaben für Stiftungen bzw. den „Dritten Sektor“ (das mischt sich manchmal) in sechs- bis siebenstelligen Größenordnungen genannt.

Wenn sozial- und geisteswissenschaftlich Qualifizierte oder Menschen, die eine Alternative zum Finanzsektor suchen, daraus Chancen für sich ableiten, geraten sie schnell auf einen Holzweg: Stiftungspersonal hat z.B. mit Medizin, Pflege, Reinigung und Küche oder bürokaufmännischen Tätigkeiten zu tun. Denn die größten Mitarbeiterzahlen weisen jene Stiftungen auf, die sich entsprechender Dienstleistungskonkurrenz stellen müssen, zum Beispiel:
– v. Bodelschwingsche Stiftungen Bethel mit rund 17.000 MA
– Franziskus-Stiftung mit 11.000 MA
– Evangelische Stiftung Alsterdorf mit 6.000 MA
– Stiftung Liebenau mit über 5.000 MA.

Es gibt tatsächlich großartige Jobs, Selbstverwirklichungsmöglichkeiten und Karrieren im Stiftungswesen. Aber das sind eher Ausnahmen. Beschäftigungsverhältnisse in Stiftungen bewegen sich häufig im oder am Rande des Prekären mit un- oder schlecht bezahlten Praktika oder Volontariaten, geringfügig Beschäftigten, Teilzeitarbeitsplätzen, freier Mitarbeit. Bei Normalarbeitsverhältnissen bleiben die Gehälter gegenüber der Wirtschaft mehr oder weniger deutlich – besonders auch auf der Führungsebene – zurück.

Die typische operative oder Förderstiftung verfügt, wenn überhaupt, meist über eine einstellige Mitarbeiterzahl und auch bei den prominenten „großen“ Stiftungen wird beim Stiftungspersonal der dreistellige Bereich selten erreicht. Stiftungskarrieren sind bei diesen Größenordnungen und flachen Hierarchien sehr begrenzt. Auf sichere Arbeitsplätze sollte sich Stiftungspersonal auch nicht verlassen. So wie sich der Sektor professionalisiert wird er auch härter in der Beurteilung, welche Person für welches Anliegen die richtige ist. Und wer seinen Job – ob auf Referenten- oder Führungsebene – verliert, hat häufig ein Problem, adäquaten Ersatz zu finden, weil der Stiftungsarbeitsmarkt klein ist und Stiftungspersonal für Wirtschaft und Wissenschaft in der Regel wenig attraktiv ist.

Die Stiftungsarbeit als sinnerfüllter Dienst am Gemeinwohl, die Verwunderung, dass Stiftungen bezahltes Stiftungspersonal haben und Abschläge bei der Vergütung bedingen sich gegenseitig. Stiftungsarbeit wird vielfach als rein finanzielle Förderung begriffen. Allerdings braucht selbst pures Fördern Personal, denn die wohlfeile Forderung nach „unbürokratischer Hilfe“ ist gut gemeint aber leider in einer unvollkommenen Welt schwer zu verwirklichen. Ein Großteil der Stiftungsleistungen besteht allerdings nicht in der Vergabe von Fördermitteln.

Neben den Förderstiftungen und den oben genannten Stiftungen, die in die altmodisch klingende Kategorie der „Anstaltsträgerstiftungen“ fallen, gibt es einen wachsenden Sektor „operativer Stiftungsarbeit“. Operativ bedeutet, dass die Stiftung ihre Leistungen für die Gesellschaft nicht primär in Geld erbringt sondern mit eigenem Personal (oder auch Ehrenamtlichen) z.B. durch Veranstaltungen, Qualifizierungen, Netzwerke, Think Tanks, Animations- und Betreuungsangebote, Fachexpertise und Beratung, Publikationen und Impulse aller Art. Gerade solche Leistungen machen einen besonderen Reichtum des Stiftungswesens in einer Zivilgesellschaft aus.

Operative Arbeit zusammen mit finanzieller Förderung ist auch die Gründungsidee der Ehrenamtsstiftung in Mecklenburg-Vorpommern. Ihre begrenzten Mittel, jährlich ca. anderthalb Millionen Euro , soll sie dadurch hebeln, dass sie bürgerschaftlich Engagierte im Lande bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, bei der Mittelakquise, in der Gewinnung von Freiwilligen, in der Vernetzung oder in der Öffentlichkeitsarbeit mit Rat und Tat begleitet.

Offensichtlich müssen Stiftungen mehr tun, um deutlich zu machen, dass Personalkosten häufig nicht bloß zu minimierende Verwaltungskosten sondern sinnvolle und auszuweitende Projektkosten sind, mit denen die Stiftung ihren Stiftungszweck erfüllt. Meine Erfahrung als Sprecher des Landesnetzes der Stiftungen in Mecklenburg-Vorpommern zeigt darüber hinaus: Stiftungen ohne Stiftungspersonal, die also nur im Feierabend-Ehrenamt betrieben werden, haben es schwer in der Zivilgesellschaft eine aktive Rolle zu spielen.

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