Stiftungsmissbrauch

Kürzlich zeigte die ARD wieder einmal eine Verfilmung von Henning Mankells „Der Mann, der lächelte“. In dem Krimi von 1994 steht ein sympathischer Erbe eines großen Vermögens im Mittelpunkt – ein Philanthrop, der mit seiner Stiftung auf einem Schloss in Schonen humanitäre Hilfe in Afrika organisiert. Am Ende erweist sich, dass die Stiftung nur die freundliche Fassade für die mörderische Beschaffung von Körperteilen im internationalen Organhandel bildet.

Die Geschichte vom Guten, das sich als besonders zynisch und böse erweist, ist ein Plot, der sich an unterschiedlichen Gegenständen abarbeiten lässt: Kirche und Orden, Kinder- und Altersheime, Polizei und Justiz, Spendenwerke und eben auch Stiftungen.

Missbrauchte Stiftungen gibt es nicht nur in der Dichtung. Auch in der politischen Realität sind sie ein Thema.

Bei aller Clinton-Begeisterung hierzulande wurde vielfach übersehen, welch wichtige Rolle die Bill, Hillary & Chelsea Clinton Foundation im Wahlkampf spielte. Neben der Erinnerung an die Präsidentschaft von Bill Clinton kümmert sie sich um soziale und gesundheitliche Belange, vor allem mit der Clinton Global Initiative gegen Aids. Seit der Gründung 2001 haben die Clintons zwei Milliarden Dollar für Ihre Stiftung gesammelt. Darunter sind zahlreiche Millionenspenden von Oligarchen und zwielichtigen Akteuren zum Beispiel aus der arabischen Welt. Die Süddeutsche Zeitung fragt: „Warum etwa akzeptieren die Clintons Millionen vom nigerianisch-libanesischen Milliardär Gilbert Chagoury, der wegen Geldwäsche in Europa verurteilt wurde? Bisher ist es keinem Faktenchecker oder Journalisten gelungen, klare Antworten von der Stiftung zu bekommen.“ ( SZ, 11.08 2016)

Auch eine Zeitung wie die Washington Post, die nicht im Verdacht einer Nähe zu Donald Trump steht, stellte schon ein Jahr vor der Wahl fest: „The Clintons‘ fundraising operation … has no equal.“ Ihre Verbindungen zu Großspendern passten nicht zu ihrer Selbstdarstellung als „champion of the middle class and a leader who will challenge the influence of large donors” und benennt „conflicts of interests and impropriety”. (Washington Post, Nov. 19, 2015)

Wie das alles unter Gesichtspunkten von Gemeinnützigkeitsrecht, illegitimen Vorteilen oder gar Korruption zu bewerten ist, mag juristisch geklärt werden. In den Schlammschlachten des Wahlkampfs wurde die Clinton Foundation jedenfalls zum Brennpunkt unsauberer Verquickung privater und öffentlicher Interessen.

Eine Stiftung gehört auch zu den Hauptdarstellern im gerade laufenden Drama um Südkoreas Präsidentin Park. Bei den größten Protesten, die das Land seit Einführung der Demokratie erlebt hat, geht es um die Frage, wie weit die Präsidentin und ihre Amtsgeschäfte von einer Sekten-Familie gesteuert werden. Frau Choi, Tochter des Sektenführers, soll ihren Einfluss genutzt haben, um 61 Millionen Euro von südkoreanischen Unternehmen zu erpressen und in zwei Stiftungen zu leiten. Eine Schlüsselrolle spielt dabei laut einem Bericht der TAZ vom 28.10. 2016 eine inaktive Hotelimmobilie im hessischen Arnoldshain, wo Frau Choi mit einer vorgeblichen Sportstiftung Gelder vor dem Zugriff der südkoreanischen Justiz bunkern soll.

Schon viele Jahre bewegt die Stiftung Noos die spanische Öffentlichkeit. Unter dem Mantel ihrer Gemeinnützigkeit soll Inaki Urdangarin, der Schwiegersohn des spanischen Königs Juan Carlos, in den Jahren 2004 bis 2006 mehr als 5 Millionen EUR in private Taschen – die eigene und die seines Partners – gelenkt haben. Die Infantin wurde mittlerweile vom Vorwurf der Beihilfe freigesprochen. Ihr Mann wartet noch auf ein Urteil wegen Veruntreuung, Betrug, Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung und Geldwäsche. Der Staatsanwalt fordert für ihn 20 Jahre Haft. Aus dem Königshaus ist das Paar mittlerweile ausgeschlossen worden und der Herzogstitel wurde aberkannt.

In Deutschland haben wir zurzeit glücklicherweise keine vergleichbaren Fälle von Stiftungsmissbrauch. In Erinnerung wird manchen noch die Stiftung Zaunkönig sein. Im Fürstentum Liechtenstein angesiedelt, verwahrte dort die hessische CDU seit 1993 circa 20 Millionen D-Mark Schwarzgeld, um bei Bedarf Gelder als anonyme jüdische Vermächtnisse in ihren offiziellen Haushalt zu schleusen. Anfang 2000 wurde der Fall zum öffentlichen Skandal.

Kriminell ohne politische Komponente ist 2015 die „Berliner Wirtschafts- und Finanzstiftung“ hervorgetreten. Es handelt sich um eine unselbständige Stiftung, mit der ein in Köln registrierter „Bund Deutscher Treuhandstiftungen e.V.“ über 6000 Anleger durch Anlagen in Falschgold um rund 50 Millionen Euro betrogen haben soll. Es waren nicht zuletzt Rechtsanwälte, die dem wirtschaftlich unplausiblen Projekt den Anschein der Seriosität vermittelt hatten. Insolvenz- und Strafverfahren laufen.

Öffentliche Aufmerksamkeit fand auch die österreichische Privatstiftung „Sonnenschein“, die Gerhard Gribkowsky, Risikovorstand der Bayern LB, 2007 gegründet hatte, um einen Teil der Bestechungsgelder in Höhe von 50 Millionen Euro aus dem Verkauf der Formel -1-Anteile der Bayern LB zu verbergen. Gribkowski wurde 2012 zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt.

Wir leben in einer Vertrauenskrise. Repräsentanten von Politik, Wirtschaft, Medien und auch NGO’s verlieren – zum Beispiel nach dem Edelman Vertrauensbarometer – an Vertrauen. Wie 1968 erleben wir eine Welle negativer Grundeinstellung gegenüber dem Establishment in großen Teilen der Welt. Dennoch nehmen wir an, dass Stiftungen bisher relativ gut positioniert sind. Das ist wichtig für unsere Arbeit, denn mit Reputation können wir finanzielle und personelle Ressourcen hebeln: Je besser das Ansehen von Stiftungen ist, umso mehr Unterstützung erfahren Impulse, die von Stiftungen ausgehen.

Aber es gilt auch: Je mehr Ansehen Stiftungen genießen, umso attraktiver werden sie zur Tarnung zwielichtiger Vorhaben. Wenn sich die Skandalisierungen von Stiftungen nach den Vorbildern aus USA, Südkorea oder Spanien häufen, ist das Wasser auf die Mühlen eines Anti-Establishment-Reflexes. Ob dabei ein juristisch verfolgbarer Stiftungsmissbrauch vorliegt, ist möglicherweise sogar sekundär.

Für alle im Stiftungswesen Aktiven – auch die gutgläubigen Mitglieder von Aufsichtsorganen – bedeutet das: genau hinschauen, dass gerade bei den Finanzen nicht nur Recht und Gesetz gewahrt werden sondern schon der Anschein von Stiftungsmissbrauch vermieden wird.

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