Stiftungsgründung und BVG

Der 17. Dezember 2014 wird ein wichtiges Datum für das deutsche Stiftungswesen. Dann verkündet das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sein Urteil, wie weit die Verschonung von Betriebsvermögen bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer dem Grundgesetz entspricht.

Worum geht es? Bei der Erbschaftsteuerreform der Großen Koalition 2008 wurde eine neue Regelung eingeführt, nach der Betriebsvermögen abhängig von verschiedenen Faktoren wie Vermögensart, Haltefristen oder Beschäftigtenzahl bis zu 100% von der Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer befreit werden konnten. Die nach Expertenmeinung komplizierteste Regelung des Erbrechts insgesamt ermöglicht damit die steuerfreie Übertragung selbst von Milliardenvermögen.

Dahinter steckten mehrere Ziele: Deutschland als Unternehmensstandort attraktiver zu machen, einer Kapitalflucht gerade von Familienunternehmern ins Ausland gegenzusteuern, Unternehmen vor Zerschlagung (zur Aufbringung der Erbschaftssteuer) zu schützen und einen Anreiz zur Erhaltung bzw. zum Ausbau von Arbeitsplätzen zu setzen. Im Juli 2012 hat der Bundesfinanzhof die Auffassung vertreten, dass diese Regelung eine Verletzung des verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatzes bedeutet und deshalb das Bundesverfassungsgericht angerufen, das nun entscheidet.

Jenseits der Verfassungsmäßigkeit geht es hier um die Folgen der Verschonung oder Nichtverschonung von Betriebsvermögen für Stiftungsgründung. Tatsächlich ist das Erbrecht ein wesentlicher – vielleicht der wichtigste – Steuerungsfaktor für die Stiftungsbereitschaft. Deshalb haben sich sozial engagierte Milliardäre in den USA wie Warren Buffet schon 2007 für eine Erhöhung der Erbschaftssteuer ausgesprochen. In Deutschland gehören der Reeder Peter Krämer oder der Unternehmer Ernst Prost („Liqui Moly“) zu den Wortführern dieser Idee.

Tatsächlich bilden Unternehmer, die keine Kinder haben, eine wichtige Stiftergruppe, genannt seien nur Kurt Körber (Körber-Stiftung), Gerd Bucerius (Zeit-Stiftung), Otto Beisheim oder Michael Schmidt (Stiftung Mercator). Aber auch mit Kindern geht es bei großen Unternehmensvermögen um erhebliche Summen, die aus dem Vermögen, also meist dem Unternehmen aufzubringen sind. Das bedeutet im Prinzip Schuldenaufnahme oder Verkauf des ganzen Unternehmens bzw. von Teilen desselben. Eine IFO-Studie im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen belegt, wie groß das Interesse von Unternehmern an der jetzigen Regelung ist. Bereits die Zweifel des Bundesfinanzhofs haben zu einem erheblichen Anstieg von Schenkungen an Nachfolger geführt, um noch vor einem Spruch des Verfassungsgerichts auf der sicheren Seite zu sein.

Traditionell entgehen Unternehmer dem Erbschaftsteuerdilemma, wenn sie sich nicht zur Kapitalflucht entschließen, gern mit Stiftungslösungen. Dabei sind sehr vereinfacht drei Ansätze zu unterscheiden:

  1. Die Anteile/Eigentumsrechte am Unternehmen werden voll – erbschaftsteuerfrei – in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht. Dabei kann die Ausübung der Eigentumsrechte mittelbar weiter von Familienangehörigen beeinflusst werden oder die Familie wird wie bei Körber oder Krupp gänzlich ausgeschlossen. An der Ertragsausschüttung ist die Familie jedenfalls nicht beteiligt.
  2. Ein Teil der Anteile wird in der Familie steuerpflichtig vererbt, ein anderer – meist größerer – wird auf eine gemeinnützige Stiftung übertragen. Damit haben die Erben ausreichend Vermögen/Einkommen, um ihren Status und Lebensstandard zu sichern und behalten trotz Minderheitsbeteiligung den bestimmenden Einfluss auf das Unternehmen, da sie entweder selbst die Stimmen der Stiftung weitgehend kontrollieren oder die Anteile der Stiftung sogar – wie bei Bertelsmann – bei voller Ertragsbeteiligung stimmrechtslos gestellt werden.
  3. Schließlich bleibt die „Doppelstiftung“. Dabei wird ein Teil in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht, ein anderer in eine nicht gemeinnützige „Familienstiftung“. Mit der Familienstiftung verhindert der Erblasser, dass die Erben über ihre Anteile frei verfügen können und so fremde Anteilseigner ins Unternehmen kommen können oder Scheidungen Auswirkungen auf das Unternehmen haben. Die Familienstiftung poolt die Stimmrechte der Familie, versorgt die Familie aus den Erträgen und muss zum Ausgleich alle 30 Jahre eine Erbersatzsteuer von maximal 30 % entrichten. Ein Beispiel für eine Doppelstiftung sind die Hertie-Stiftungen.

Auf die Rechtsform des Unternehmens und den Anschein nach außen haben alle drei Ansätze der Beteiligungsträgerstiftung (so der Fachbegriff) keinen Einfluss.

Aus solchen Ansätzen der Stiftungsgründung ist das Rückgrat des deutschen Stiftungswesens erwachsen. Mit der Erbschaftsteuerreform von 2008 entfiel somit ein entscheidender Anreiz zum Stiften. Zudem entwickelte die Juristenzunft sogleich Strategien, die neuen Verschonungsregeln für Modelle zu nutzen, die der Gesetzgeber gar nicht vorausgesehen hatte. So wurden – vereinfacht formuliert – reine Privatvermögen in GmbHs als Betriebsvermögen geparkt und erbschaftssteuerfrei übertragen. Einige der schlimmsten Auswüchse wurden zwar mittlerweile korrigiert, aber für die Familie ist in aller Regel die verschonte Übertragung im Rahmen eines „normalen“ Erbgangs attraktiver als der Rückgriff auf das Instrument Stiftung.

Wenn das Bundesverfassungsgericht am 17. Dezember entscheidet, dass Betriebsvermögen bei der Erbschafts- und Schenkungsteuer nicht oder jedenfalls nicht im jetzigen Maße privilegiert werden darf, brächte das gerade in Zeiten von Niedrigzinsen und ordentlichen Unternehmensgewinnen einen Schub für Stiftungsgründungen.

 

Nachtrag nach Urteilsverkündung zum Erbschaftsteuerrecht:

Einen Schub für das Stiftungswesen wird das Urteil des BVG nach derzeitiger Erkenntnislage kaum bringen. Das BVG hat zwar wichtige Paragrafen des Erbschaftssteuergesetzes für mit der Verfassung unvereinbar erklärt, gleichzeitig aber bekräftigt, dass die Privilegierungen grundsätzlich möglich sind. Insofern geht es um Ausgestaltungsfragen, für die es zunächst eine Übergangsfrist bis Mitte 2016 gibt. Es gibt die Auflage, bei sehr großen Betriebsvermögen im Unterschied zur bisherigen Praxis den Bedarf der Privilegierung zu prüfen. Wie das genau aussehen wird, lässt sich noch nicht absehen. Möglicherweise entsteht hier ein Anreiz zur Stiftungsgründung. Generell zeichnet sich aber ab, dass die gegenwärtige Koalition beabsichtigt, die bestehende Regelung mit möglichst geringen Änderungen zu erhalten. Umso wichtiger ist, im Kreise von Unternehmerinnen und Unternehmern mit Argumenten persönlicher und gesellschaftspolitischer Art für Stiftungsgründungen zu werben.

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