Stiftungsgeschäft braucht Vermögen

Viele denken, Stiften ist etwas für Reiche. Das ist ein Missverständnis. Ein Großteil der Stiftungen wird von Menschen errichtet, die ein Vermögen von weniger als 1 Million Euro besitzen. Andererseits erlebe ich der Beratungspraxis immer wieder den Versuch, eine Stiftung zu gründen, ohne über das erforderliche Kapital für das „Stiftungsgeschäft“ – den behördlichen Gründungsakt – zu verfügen.

Vier Fallgruppen lassen sich unterscheiden, bei denen ich besonders häufig Stiftungswillige enttäuschen muss:

1. Eine Initiative – ob z.B. eingetragener Verein oder ohne Rechtsform – hat ein gemeinnütziges Anliegen und möchte dies künftig in Form einer Stiftung verfolgen. Meist sind die Gründe dafür eher diffus. Eine wichtige Rolle spielt üblicherweise das höhere gesellschaftliche Ansehen einer Stiftung. Häufig verfügt eine solche Initiative nicht über die erforderliche Summe von mindestens 50.000 bis 100.000 €, hofft aber, diesen Betrag durch gemeinsame Anstrengungen und Fundraising aufzubringen. Wenn die Initiative bereits regelmäßig sechsstellige Summen für ihre Ziele zusammenbekommt, ist das Anliegen durchaus darstellbar. Nicht selten aber beschränkt sich das bisherige Aufkommen auf niedrige oder mittlere fünfstellige Summen und die Akteure hoffen, durch eine Stiftungsgründung im Fundraising einen Sprung nach oben zu machen. Das mag im Einzelfall möglich sein, ist generell aber nicht  realistisch. Vielmehr sollten sich die Engagierten klar machen, dass sie sich wohl ein bis drei Jahre darauf konzentrieren müssen, das Grundstockvermögen der Stiftungen zusammenzubringen. Das ist für die unmittelbare Zweckverfolgung – z.B. benachteiligten Gruppen zu helfen – verlorene Zeit. Die doch beträchtliche Summe von 100.000 €  wird faktisch (nicht rechtlich!)  erst einmal dem angedachten Zweck entzogen, denn das Grundstockvermögen ist unantastbar, nur die Zinserträge stehen für die Stiftungsarbeit zur Verfügung. Von 100.000 € wären das zur Zeit lächerliche 1000 bis 2000 €. Von der stiftungstypischen Nachhaltigkeit kann man bei einem Vermögen dieser Größenordnung auch noch nicht im Ernst sprechen. Bei einer solchen Konstellation isdt in der Regel ein Verein als Fundraising-Instrument und Träger der Aktivitäten vorzuziehen. Für besondere Fälle, z.B. eine Erbschaft oder eine Einzelspende, die zeitnah nicht zu verbrauchen ist, bleibt immer noch das Instrument der rechtlich unselbständigen Treuhandstiftung ohne Mindestkapital.

2. Häufig ist auf den ersten Blick ein Vermögen vorhanden, von dem sich bei näherer Betrachtung aber herausstellt, dass der Stifter es nicht in vollem Umfang einbringen kann oder will. Das gilt zum Beispiel bei einer Wohnimmobilie, für die sich der Stifter ein Wohnrecht oder Nießbrauch auf Lebenszeit vorbehalten möchte. Häufig werden auch mögliche Pflichtteilsergänzungsansprüche von Ehepartnern und Kindern nicht beachtet. § 2325 BGB schützt die nächsten Angehörigen davor, dass der Erblasser noch zu Lebzeiten sein gesamtes Vermögen weggibt und damit seine Angehörigen um eine angemessene Beteiligung am Nachlass bringt. Wenn z.B. ein Stifter den größten Teil seines Vermögens in eine Stiftung einbringt und er verstirbt innerhalb von 10 Jahren nach Stiftungsgründung, dann können die Pflichtteilsberechtigten einen Ausgleichsanspruch gegenüber der Stiftung geltend machen. Für die Stiftung kann dies existenzbedrohend werden. Deshalb sind Pflichtteilfragen vor dem Stiftungsgeschäft zu klären, z.B. durch notariellen Pflichtteilsverzicht der Berechtigten. Nur nebenbei sei bemerkt, dass manche Stiftungswillige glauben, Stiften sein ein probates Mittel, um Kinder, mit denen sie im Konflikt stehen, vom Erbe auszuschließen. Soweit dies den Pflichtteil betrifft, geht das Kalkül normalerweise nicht auf.

3. Eine besondere Herausforderung stellen Vermögen dar, die nicht ertragbringend sind und damit eine wesentliche Anforderung an das Stiftungskapital verfehlen. Nehmen wir das Beispiel eines Künstlernachlasses. Der Stifter errechnet sich an Hand von Marktpreisen seiner Werke vielleicht ein Millionenvermögen an Werken, die er noch besitzt. Seine Idee ist, diese Sammlung geschlossen zu erhalten und zu diesem Zweck in eine Stiftung einzubringen. Dann muss ich darauf hinweisen, dass ein solches Vermögen zwar Millionen wert sein mag, aber leider nicht ertragbringend ist. Im Gegenteil, dieses Vermögen braucht Geld, um zu überleben: z.B. Versicherungsprämien, Aufbewahrungskosten…Tatsächlich muss zusätzlich zu einem Vermögen, das selbst keine Rendite abwirft, ein zusätzlicher Betrag gestiftet werde, aus dessen Erträgen die Sammlung , das Schloss oder was auch immer erhalten werden kann.

4. Der vierte Fall scheint erst mal abwegig, taucht in der Praxis aber gar nicht so selten auf. Im Beratungsprozess kommt heraus, dass der Stiftungswillige zwar der Motor des Vorhabens ist aber tatsächlich gar nicht über die zu stiftenden Werte verfügt. Eigentümer sind vielmehr Lebenspartner, Eltern, Freunde, Gönner, die selbst das Stiftungsgeschäft abschließen müssen. Wenn diejenigen, die rechtlich über das zu stiftende Vermögen verfügen, nicht von Anfang an im Beratungs- und Gründungsprozess voll einbezogen sind, stellt sich immer wieder heraus, dass hier eine Rechnung ohne den Wirt gemacht wurde und am Schluss auch niemand willig ist, die Beratungskosten zu tragen.

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