Stiftungsbericht als Einsparpotential?

Ein neues Jahr hat begonnen und irgendwann zwischen Ostern und Silvester werden uns die Stiftungsberichte des Jahres 2014 erreichen. Wieder wird es das ganze Spektrum von kurz und knackig bis zum gewichtigen Band – mal mit opulenten Bildstrecken, mal als Textwüsten – geben. Viele Ordnungsliebhaber werden die Sendung gleich in den Papierkorb befördern, andere auf den Stapel „Muss ich mal in Ruhe lesen“ (wozu es fast nie kommt) packen. Die aufmerksamsten Leser finden sich meist unter denen, die Ansatzpunkte für Förderanfragen suchen. Und bei denen, die sich in irgendeiner Art von Konkurrenz sehen.
Das klingt vielleicht etwas despektierlich. Sind Stiftungsberichte nicht gute Beispiele der immer wieder geforderten Transparenz? Hier gilt es dem Missverständnis vorzubeugen, Berichte von Stiftungen hätten eine ähnliche Funktion wie die Geschäftsberichte von Aktiengesellschaften. Stiftungen unterliegen keinerlei Publizitätspflichten, die sie mit einem solchen Bericht abarbeiten müssten. Stiftungen benötigen auch keine Imagewerbung, die das unternehmerische Zahlenwerk üblicherweise aufhübscht.
Stiftungsberichte sind dann eine gute Sache, wenn sie unter einer sinnvollen Zielsetzung stehen und die Stellung im Kommunikationskonzept der Stiftung klar definiert ist.
Die Zielsetzung zumindest eines gedruckten Stiftungsberichts sollte in jedem Fall über die notwendige Berichterstattung an Organe und Gremien der Stiftung bzw. die staatliche Stiftungsaufsicht hinausgehen.
Der Stiftungsbericht kann zum Beispiel ein Instrument sein
– zum Fundraising
– zur Pflege der eigenen Stiftungscommunity (wenn es z.B. viele Ehrenamtliche, Spender, Förderempfänger, Ehemalige gibt)
– zur inhaltlichen Zweckverfolgung: d.h., es werden eigene Erfahrungen thematisiert sowie Arbeitsansätze und Problemlösungen propagiert
– zur Positionierung der Stiftung, um damit die inhaltliche Arbeit zu unterstützen.
Es ist offenkundig, dass diese unterschiedlichen Instrumentalisierungen jeweils zu sehr verschiedenen äußerlichen und inhaltlichen Auftritten führen.
Ein Paradox der Stiftungsberichte liegt heutzutage darin, dass es als Periodikum aktuell sein soll, aber in Zahlen und Personalangaben sowie dem Set der Aktivitäten häufig bei Erscheinen schon veraltet ist. Andererseits fehlen häufig Informationen, die bei Manuskriptabgabe noch nicht bekannt oder hinreichend geklärt waren. Wer Aktuelles über eine Stiftung wissen will, greift deshalb immer seltener zum Stiftungsbericht sondern googelt die Website.
Die Website ist eine Hol-Information, beim Stiftungsbericht handelt es sich eher um eine Bring-Information. Die Funktion im Kommunikationskonzept ist also unterschiedlich. Allerdings muss das „Bringen“ auch durch eine entsprechende Adresspflege gestützt sein. Häufig ist auch die systematische Einbettung/Abgrenzung gegenüber (Online-)Newsletter, bebilderten gedrucktem Journal, Selbstdarstellungs- und Projektflyern und thematischen Einzelveröffentlichungen nicht hinreichend definiert. Gerade letztere haben, wenn es um inhaltliche Botschaften geht, eine viel höhere Wertigkeit und längere Halbwertzeit als der Stiftungsbericht. Das gilt noch mehr, wenn der Stiftungsbericht im Programmstil verfasst ist statt mit den Möglichkeiten eines guten Storytelling die Einflugschneise ins Hirn der Leser anzupeilen.
Die Stiftung Mercator, die seit 2009 mit besonders aufwendigen Hardcover-Jahresberichten imponierte, hat 2013 eine radikale Kehrtwende vollzogen und publiziert ihren Bericht nur noch online als PDF. Das kann durchaus zum Vorbild für andere werden. Allerdings droht ein Manko, das auch Mercator nicht vermieden hat: Online-Publikationen sollten druckerfreundlich sein, d.h. frei von bloß schmückenden Farbflächen, die sinnlos Tinte oder Toner fressen.
In Zeiten sinkender Erträge aus Finanzanlagen kann der Verzicht auf einen Stiftungsbericht – vor allem in gedruckter Form – durchaus ein Einsparungspotential bieten. Eine wichtige Funktion eines – guten! – Stiftungsberichts sollte dabei aber nicht unter die Räder kommen: die Gelegenheit oder auch der Zwang, sich mindestens einmal im Jahr – am besten unter externer Moderation – Rechenschaft abzulegen sowie Profil und Botschaften zu prüfen und zu schärfen

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Eine immer noch gültige Planungshilfe der PhiPolisConsult Stiftungspraxis zum Stiftungsbericht finden Sie hier.

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