Stiftung für die Ewigkeit?

Zu den gern gepflegten Mythen des Stiftungswesens gehört das Thema „Ewigkeit“. Stiftungen seien als einzige Rechtsform vom Gesetzgeber nachhaltig für die Ewigkeit angelegt.

Am Ewigkeitsanspruch ist Manches richtig und Vieles falsch. Er betrifft ohnehin nur den Teil der Stiftungen, die entsprechend § 80 BGB gegründet werden. Dort ist von Ewigkeit nur indirekt die Rede; eine Stiftung sei anzuerkennen, wenn u.a. „die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint“.

Nachhaltigkeit gewährt die Umsetzung dieser Vorschrift in der Verwaltungspraxis keineswegs. Mag die Stiftungsaufsicht ein Grundstockvermögen von 50.000, 100.000 oder 200.000 Euro für die Gründung verlangen – was schon bei normalen Renditen keine nachhaltig auskömmliche Finanzierung von noch so bescheidenen Stiftungsaktivitäten erlaubte, ist heute nur noch ein Witz.

Die Ewigkeit einer Stiftung ist auch historisch eine Chimäre. Zwar werden immer wieder Stiftungen angeführt, die 1000 Jahre und älter sind. Erwähnt seien die Hospitalstiftung zu Wemding von 917, die Vereinigten Pfründnerhäuser in Münster von 900 oder das Hospital Sanctus Spiritus in Demmin von 1269. Hier geht es aber nicht um die Kontinuität einer Rechtsform. Das moderne Rechtskonstrukt der Stiftung bildete sich erst im 19. Jahrhundert heraus und erhielt 1900 mit dem BGB seine Kodifizierung für Deutschland. Bei den mittelalterlichen Stiftungen handelt es sich im Grunde nur um die Kontinuität in der Zweckbestimmung einer Immobilie.

Geldvermögen hätte die Jahrhunderte ohnehin kaum überstanden. Allein im 20. Jahrhundert wurden die deutschen Stiftungen durch zwei Inflationen sowie die nationalsozialistische Enteignungspolitik nach 1933 und die kommunistische nach 1945 zum überwiegenden Teil liquidiert. Das obrigkeitliche Zwangsabwickeln und Zusammenlegen von Stiftungen wurde von Luthers Reformation über den Reichsdeputationshauptschluss 1803 bis zu den westdeutschen Nachkriegsjahren ohne viel Skrupel praktiziert.

Eine tausendjährige Stiftungsgeschichte ist deshalb auch im Rückblick nicht die Regel sondern die Ausnahme. Die „Stiftungshauptstadt“ Hamburg hat erst in den letzten Jahren wieder die Zahl von Stiftungen erreicht, die auf heutigem Territorium vor dem 1. Weltkrieg existierte.

An der Vergangenheit lässt sich nichts ändern. Die Frage ist, welche Bedeutung Ewigkeit für eine Stiftung in Zukunft hat. Die Zahl der Verbrauchsstiftungen wächst. Das prominenteste Beispiel wird kurioserweise durch das größte Stiftungsvermögen der Welt, die Bill and Melinda Gates Foundation, repräsentiert. Mit einem Stiftungsvermögen von über 40 Milliarden Dollar könnte sie am ehesten „ewig“ werden.

In Deutschland ist die Verbrauchsstiftung seit ungefähr einem Jahrzehnt im Gespräch, Auftrieb bekam sie vor allem durch den gegenwärtigen Renditeverfall. Er macht auch die Umwandlung bestehender Ewigkeitsstiftungen in Verbrauchsstiftungen zum Thema. Auch wenn die Verbrauchsstiftung mittlerweile im BGB anerkannt ist, hat sich eine landesweit flächendeckende Verwaltungspraxis dazu noch nicht durchgesetzt.

Institutionelle Nachhaltigkeit ist ein dringendes Gebot jeder Stiftungsstrategie und Stiftungspraxis – gleichgültig, ob daraus Ewigkeit wird. Das gilt selbst für die auf mindestens 10 Jahre anzulegende Verbrauchsstiftung.

Die meisten Stiftungen in Deutschland sind noch nicht volljährig; mehr als die Hälfte der ca. 21.000 Stiftungen bürgerlichen Rechts wurde in den 2000er Jahren gegründet. Das bedeutet, für viele steht der Test auf die Nachhaltigkeit noch aus.

Vermögen ist dabei nur ein – wenn auch sehr wichtiger – Faktor. Weil es daran vielfach mangelt, ist Fundraising die nächste Herausforderung. Bei vielen Fundraising-Beratungen zeigt sich: Bevor konkretes Fundraising beginnen kann, muss sich die Stiftung erst einmal fundraising-fähig aufstellen – eine komplexe Herausforderung.

Das steht in Verbindung mit der Programm-Ebene, bei der es im Kern darum geht, Ressourcen und Ziele in Einklang zu bringen und alle Möglichkeiten zum Beispiel von Kooperationen, öffentlicher Finanzierung oder Zweckbetrieb auszuschöpfen.

Nicht weniger wichtig ist die Stiftungskommunikation. Die dauerhafte Etablierung einer Stiftung heißt nicht zuletzt, ihr einen guten Namen in der Öffentlichkeit zu verschaffen und damit ihre Attraktivität zu steigern.

Schließlich geht es um die vielfach problematische Akteursebene. Die Probe auf die Lebenskraft einer Stiftung ist das Ableben des Stifters bzw. das Ausscheiden der Gründungsakteure. Stifter und Gründungsvorstände müssen die Quadratur des Kreises schaffen, indem sie ihre ganze Kraft für die Stiftung einsetzen und sich gleichzeitig überflüssig machen. Für eine kapitalschwache Stiftung, die nicht langfristig und kontinuierlich für einen Stamm von Engagierten in einem guten Altersmix sorgt, wird Ewigkeit nur kurz dauern.

Es sind diese fünf Faktoren – Vermögen, Fundraising, Programm, Stiftungskommunikation und Stiftungsakteure -, die wir für die Nachhaltigkeit von Stiftungen mit weniger als einer Million Euro Kapital, also die meisten, im Blick halten müssen.

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