Stiften mit Wirkung

 

Wirkung – davon träumen Viele in der Philanthropie. Gerade hat Susanne Klatten – Deutschlands reichste Frau – 100 Millionen Euro für gemeinnützige Projekte mit „Wirkung“ ausgelobt. Projektname „SKala“. Sie bedient sich dafür nicht ihrer eigenen Herbert Quandt-Stiftung sondern des Beratungsunternehmens PHINEO – eine gemeinnützige Aktiengesellschaft, die 2010 aus einem Projekt der Bertelsmann-Stiftung ausgegründet wurde.

PHINEO bildet das Flaggschiff des Wirkungs-Diskurses in der deutschen Stiftungs- und Spendenlandschaft. Mehr als 200 Projekten hat PHINEO sein Wirkt!-Siegel verliehen. Die PHINEO-Website bietet eine Fülle von nützlichen Tools und Anregungen, um Wirkungsansätze in der eigenen Arbeit zu stärken. Wichtigstes Instrument ist das „Kursbuch Wirkung“.

PHINEO definiert: „ Wirkungen sind Veränderungen, die Sie mit Ihrer Arbeit bei Ihren Zielgruppen, deren Lebensumfeld oder der Gesellschaft erreichen“. Dabei analysiert PHINEO als „Outcomes“ bei den Zielgruppen „Veränderungen von Fähigkeiten, Verhalten oder der Lebenslage“, die „in Folge von Leistungen, d. h. Angeboten, Maßnahmen oder Produkten“ des gemeinnützigen Akteurs eintreten.

Der Wirkung will, muss zunächst analysieren. Nehmen wir als Beispiel Schulleistungen von Migrantenkindern. Wer sie verbessern will, kommt vielleicht auf den Faktor mangelnder Lesekompetenz. Daraus folgt: Woran liegt dieser Mangel? Zum Beispiel: zu Hause wird zu wenig vorgelesen, zu Hause gibt es keine deutschsprachigen Kinderbücher, Texte müssten einfacher, bunter oder was auch immer sein. Daraus können sich unterschiedliche Maßnahmen ableiten: zum Beispiel Vorlesestunden, Kinderbücher verteilen, zielgruppen-optimierte Texte produzieren oder etwa auch – wie in den USA – Geldprämien fürs Lesen ausloben.

Aus solchen Bausteinen entsteht eine theory of change oder zu Deutsch eine Wirkungslogik oder Wirkungskette. Der Sinn solcher Methodik besteht darin, einen möglichst wirksamen Hebel zur Verbesserung einer Situation zu finden und zu überprüfbaren Resultaten des eigenen Handelns zu kommen.

„Mehr Wirkung durch Strategie“ postulierte die Stiftung Mercator 2009, „Wirkungen“ betitelte die Frankfurter Stiftung Polytechnische Gesellschaft den Bericht über ihre ersten Aufbaujahre. Wirkung ist ein Schlüsselbegriff beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Die Reihe ließe sich fortsetzen.

Andererseits stellen sich viel zu wenig Stiftungen ernsthaft der Frage nach ihrer Wirkung. Alles beginnt damit, ob die Akteure Wirkung wirklich wollen. Das ist nicht immer selbstverständlich, besonders wenn man nachbohrt, welche Wirkung es denn genau sein soll.

Wirkung wollen und Wirkung haben, das kann weit auseinanderklaffen. Dass eine gewünschte Wirkung nicht eintritt, ist ein verbreiteter Zustand nicht nur in Marketing und Politik sondern auch bei zivilgesellschaftlicher Gemeinnützigkeit.

Vom Wirkung haben ist das Wirkung nachweisen zu unterscheiden. Der Wirkungsnachweis ergibt sich ja noch nicht aus der bloßen Feststellung, dass sich die Dinge in die von mir gewünschte Richtung bewegen. Zum strengen Nachweis gehört eine eindeutige Kausalbeziehung zu meiner Intervention. Wenn sich die Lesefähigkeit verbessert, liegt das möglicherweise gar nicht an meiner Maßnahme sondern der Tatsache, dass die Kinder eine neue Lehrerin besonders lieben. Noch vertrackter ist der Nachweis von Verhinderungswirkungen nach dem Motto „ohne meine Intervention wäre es noch viel schlimmer geworden“.

Der Wirkungsnachweis wird umso schwieriger, je mehr Einflussfaktoren und Akteure eine Rolle spielen. Der angestrebte Einfluss auf das Weltklima zum Beispiel wird für keine Stiftung je nachweisbar sein. Wirkung haben und nachweisen ist wiederum vom Beurteilen zu unterscheiden. Der beliebte Managementbegriff „Change“ ist ja kein Wert an sich. Wer oder was gewinnt und verliert bei einer Wirkung? Was sind möglicherweise unerwünschte Nebeneffekte? Wie kontrovers wird die erzielte Wirkung in einer Gesellschaft gesehen?

Schließlich bleibt eine sehr entscheidende Management-Frage: Was sind die Kosten der Wirkung? Hier geht es also nicht um Effekt sondern Effizienz – das Verhältnis von Aufwand und Ertrag.

Zwischen Nachweis und Beurteilung liegen auch komplexe Fragen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn wir Menschen in Not helfen wollen, zählen wir Medienclippings oder gerettete Menschenleben? Das klingt erst mal zynisch, aber vielleicht lassen sich im Endeffekt mit guter Medienarbeit mehr Menschen retten als mit Reis und Rettungsbooten auf Spendenbasis. Nachweisen kann das wegen der vielen Vermittlungsstufen aber wohl niemand.

Wirkung im Sinne von PHINEO lässt sich am besten verfolgen, wo mit klar definierten Maßnahmen für begrenzte Zielgruppen in möglichst kurzer Zeit eine eindeutig benennbare Veränderung herbeigeführt werden kann, zum Beispiel die lokale Vermittlung leistungsschwacher Jugendlicher in eine Lehrstelle.

So ist es kein Wunder, dass etwa Kunst und Kultur bei den PHINEO-Projekten praktisch keine Rolle spielen. Was soll die Wirkung eines Theaterstücks, eines Bildes, eines Romans oder eines Konzerts sein? Aber niemand möchte wohl bestreiten, dass eine Gesellschaft private Kunst- und Kulturförderung braucht.

Wer sozialtechnisch schwer operationalisierbare Haltungen wie Hilfsbereitschaft und Friedfertigkeit, Neugier auf andere Kulturen, Musikbegeisterung, Tierliebe oder Geschichtsbewusstsein wecken will, sollte sich durchaus der Frage nach Wirkungsmechanismen stellen. Die Ergebnisse werden sich allerdings erst in so langen Zeiträumen und unter so vielen Pro- und Contra-Einflüssen einstellen, dass das Wirkung haben immer spekulativ bleiben wird. Bei langfristig angestrebten Einstellungen bringen simple Vorher-Nachher-Erhebungen nichts.

Natürlich ist es legitim und lobenswert, dass Susanne Klatten mit ihrer SKala-Initiative sich auf mehr oder weniger nachweisbar wirksame Projekte konzentrieren will. Es wäre aber fatal, wenn daraus ein Ideal für Stiften und Spenden insgesamt würde. Der Wert von Stiftungsarbeit kann auch darin bestehen, sich ohne zeitnahe Wirkungserwartungen auf der Ebene eines Projekts oder einer Förderung menschlich oder mäzenatisch zu engagieren. Stiftungen, Stifter und Spender sollten allerdings Klarheit über ihre Art von Wirkungsorientierung gewinnen.

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