Inflation der Preisverleihungen

Preisverleihungen sind bei vielen Institutionen Teil einer Förder-, Positionierungs- oder PR-Strategie. So ist die Zahl der Preise in Deutschland wie international mittlerweile gigantisch.

Aber auch die Höhe der Preise ist bemerkenswert. Zwar wird auch in der überregionalen Qualitätspresse häufig von Preisverleihungen in Größenordnungen von weniger als 10.000 € berichtet, so dass der Eindruck unterstützt wird, Spitzenpreise spielten in dieser Liga. Tatsächlich geht es bei der Resonanz und dem Ansehen eines Preises nicht nur um die Höhe der Dotierung. Die Tradition eines Preises – besonders auch die Karrieren früherer Preisträger – , die Qualität der Jurierung, die spezifische Stellung in einer Fach-Community, die Inszenerung der Preisverleihung oder die Qualität der Öffentlichkeitsarbeit können durchaus eine wichtigere Rolle spielen. So ist zum Beispiel der bekannteste französische Literaturpreis, der Prix Goncourt, mit sage und schreibe symbolischen 10 € dotiert, während andererseits die spanisch-sprachige Welt ihre Literatur gleich mit mehreren Preisen ab 100.000 € feiert.

Auch wenn Preisgelder nicht allein ausschlaggebend sind, bedeuten sie doch eine Schlüsselgröße im Wettbewerb der Preisausrichter. Umso erstaunlicher ist meine Erfahrung, dass Stiftungen und andere Institutionen dieses Wettbewerbsumfeld häufig nur unzureichend zur Kenntnis nehmen. Erste Anhaltspunkte können deshalb zwei Listen mit je 93 deutschen und ausländischen Preisen liefern, die insgesamt über 400 Einzelpreise jeweils zwischen 50.000 € und 2.500.0000 € ausschütten. Sie finden diese Listen hier:

PPC-Deutsche Preise über 50.000 €.Stand 10.2014

PPC-Ausländische Preise über 50.000 €.Stand 10.2014

Die Zusammenstellung der beiden Listen lässt manche Eigenheiten der Preisverleihungsbranche deutlich werden.

Zunächst erfassen die Listen Preise, die allem Anschein nach gegenwärtig vergeben werden. Das ist manchmal schwierig zu erkennen. Auch hoch dotierte Preise erscheinen in einigen Fällen plötzlich wie Kometen am Himmel und verglühen auch, ohne dass ihre Einstellung irgendwelche Nachrichtenspuren hinterlässt.

Viele Preise haben einen Zwittercharakter von Auszeichnung und Förderung, d.h.bei vielen Preisen kann der Preisträger nicht völlig frei über die Verwendung des Preisgelds verfügen. Zweckbindungen gelten bestimmten Projekten oder dem Einsatz für Sach- oder Personalkosten. Die Ausschüttung von Fördermitteln gerade der Wissenschaft in Form von Preisen liegt jedenfalls im Trend. Wissenschaftspreise sind gelegentlich für den Aufbau (also die Entlohnung) ganzer Arbeitsgruppen bestimmt.

Viele Preise – gerade in Wettbewerbsform – haben insgesamt ein großes Volumen, verteilen sich aber auf Beträge, die unter der hier definierten Schwelle von 50.000 € liegen. Sie sind deshalb hier nicht berücksichtigt. Auch bei den kumulierten Werten der Preisgelder, die das Ranking bestimmen, werden nur solche oberhalb von 50.000 € eingerechnet. Andererseits wird diese Schwelle zum Teil dadurch aufgeweicht, dass Juries einen Einzelpreis von 50.000 € oder mehr auf zwei oder noch weitere Empfänger aufteilen.

Auch folgen nicht alle Preise demselben Rhythmus. Die Meisten werden jährlich, manche aber zum Beispiel nur alle 4 Jahre verliehen.

Neben Stiftungen tauchen in der Klasse ab 50.000 € auch Preise der Öffentlichen Hand, von Vereinen, Firmen oder Treuhandstiftungen auf.

Zur Inflation der Preisverleihungen gehört: Eine zugleich aktuelle und vollständige Liste von Preisen – selbst nur der hoch dotierten – ist aus den angedeuteten Gründen ein Ding der Unmöglichkeit. Das gilt für den internationalen Raum noch mehr als für Deutschland. Umso mehr freue ich mich, wenn Sie mich auf fehlende Preise – zumal aus dem deutschsprachigen Raum – aufmerksam machen.

 

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