Gemeinwohl zwischen Haltung und Gesetz

Das renommierte Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat zum Jahreswechsel eine Studie von Anja Hirsch, Moritz Neujeffski und Dieter Plehwe zu „Unternehmensstiftungen“ vorgestellt. Die Studie hat erhebliche Aufmerksamkeit in Qualitätsmedien gefunden, wurde allerdings kurz darauf zur Überarbeitung zurückgezogen und ist seit Wochen nicht mehr erhältlich.

Medien wie der Deutschlandfunk oder die VDI Nachrichten zeichnen aufgrund der Studie ein ziemlich kritisches Bild dieser Stiftungen mit dem Fokus der Wissenschaftsförderung. Vorgeworfen wird ihnen, Gemeinnützigkeit als Deckmantel für die Verfolgung von Unternehmensinteressen zu nutzen. Dagegen spricht sich die Studie für gesetzliche Transparenzpflichten von Stiftungen aus.

Ein Modell könnte die „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“ liefern. Wer ihren sechsseitigen „Leitfaden für die Umsetzung von Selbstverpflichtungserklärungen“ mit zehn Hauptpunkten und zahlreichen Unterpunkten studieren will, sollte nervenstark sein. Man sollte wissen, wie viel Stunden Ehrenamtliche geleistet haben, „Details und Gesamtheit der Einnahmen und Ausgaben“ aufführen, gesellschaftsrechtliche Verbundenheit mit Fördervereinen, Partnerorganisationen etc. offenlegen und zum Beispiel Spender kenntlich machen, die mehr als 10 Prozent zu den Jahreseinnahmen beigesteuert haben. Es versteht sich, dass umfassend über Satzung, Vermögen und Organmitglieder Auskunft zu geben ist.

Viele, die sich langjährig in Stiftungen mit großer Hingabe für das Gemeinwohl engagieren, mögen die vom WZB angestoßene Schelte der Medien als zutiefst ungerecht empfinden und die Transparenzinitiative für eine Ablenkung von dringender Arbeit halten. Mir geht das auch so. Wir erleben ja regelmäßig, dass vermeintliche Transparenz und hehre Selbstverpflichtungen kriminelle oder Missbrauchsenergien keineswegs hemmen sondern immer wieder als Fassade des Gegenteils dienen.

Vertrauen ist dagegen der Sauerstoff des Stiftungswesens. Stiftungen, die kein Vertrauen genießen, und Stiftungen, die kein Vertrauen geben, verfehlen ihren Zweck. Es ist ein Irrtum zu meinen, Vertrauen ließe sich durch möglichst kleinteilige Transparenzvorschriften stärken.

Umgekehrt kann Vertrauen kein Blankoscheck sein. Wer sich im klassischen Sinne mäzenatisch betätigt, das heißt, Mittel aus der Privatschatulle etwa für Kunst oder Wissenschaft einsetzt und dafür keinerlei Steuervorteile in Anspruch nimmt, mag das im Geheimen tun. Stiftungen dagegen sind Vermögen – und zwar die einzigen -, die keine Anteilseigner haben, sondern sich selbst gehören und die darüber hinaus steuerlich privilegiert sind. Stiftungsvermögen unterliegen jenseits der allgemeinen Rechts- und Finanzaufsicht keinerlei staatlicher Kontrolle. Das macht ihre Stärke für den gesellschaftlichen Ideenpool aus. Sie sind aber gleichzeitig Teil einer zivilgesellschaftlichen res publica, also in gewisser Weise eine öffentliche Angelegenheit. Selbstbewusst für das eigene Anliegen auch öffentlich einzustehen, kennzeichnet daher die verantwortungsbewusste Stiftung, die sich weder rechtfertigen noch um Applaus buhlen muss. Das ist eine Haltungsfrage, die völlig unabhängig von Gesetzen und Unterwerfungsklauseln ist.

Die größte Bedrohung dieser Stiftungskultur stellen nicht von der Kette gelassene Regulierer dar. Ursache der Bedrohung sind Stiftungen, die strikt Dienst nach Vorschrift machen.

Ein Beispiel aus der eingangs genannten Gruppe der Unternehmensstiftungen möge das illustrieren. Zum Adel des deutschen Maschinenbaus gehört die KSB AG, ein 1871 gegründeter Hersteller von Pumpen und Armaturen im pfälzischen Frankenthal. Die KSB AG beschäftigt weltweit ca. 15.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie hat für 2016 bei einem Umsatz von 2,2 Milliarden Euro einen Vorsteuergewinn von 75 Millionen Euro ausgewiesen. Seit einigen Wochen ist das Unternehmen im Gerede, weil die Familie Kühborth mit einem angestrebten Rechtsformwechsel Konflikte ausgelöst hat. Ein wichtiger Vorwurf lautet dabei, die Gründernachfahren herrschten im Unternehmen, als ob es ihnen allein gehöre, obwohl sie keine Aktien besitzen.

1964 hatte Otto Klein-Kühbordt eine qualifizierte Mehrheit des Aktienkapitals in die gemeinnützige KSB-Stiftung eingebracht. Ihre Vermögensverwaltung erfolgt durch die „Klein Pumpen GmbH“, die heute über gut 80 Prozent der Aktien verfügt und darüber hinaus an anderen Unternehmen beteiligt ist. Geschäftsführer der Klein Pumpen GmbH sind Klaus und Monika Kühbordt.

Dass frühere Eigentümer bzw. ihre Nachfahren per Stiftung faktisch ein Unternehmen kontrollieren, an dem sie gar keine oder nur Minderheitsbeteiligungen halten, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist sogar ein wichtiges Motiv zur Gründung mancher Beteiligungsträgerstiftungen.

Die Legitimität setzt allerdings voraus, dass es nicht nur um eine Steuervermeidungskonstruktion geht, sondern die Stiftung das primäre Ziel verfolgt, für das Gemeinwohl tätig zu werden. Liest man, dass die Beteiligungsträgerstiftung des Pumpenherstellers sich um Pumpen-Forschung kümmert, entsteht dazu ein erstes Fragezeichen. Wird hier die Forschungsabteilung des Unternehmens über die Stiftung subventioniert?

Die Suche nach einer Website der Stiftung ist vergebens. Bestenfalls indirekt gibt es Indizien für ihr Wirken, wenn auf wenigen Hochschul-Websites einmal auf geleistete Unterstützung für den wissenschaftlichen Nachwuchs verwiesen wird. Eine Geschäftsstelle der Stiftung ist auch nicht auszumachen. Eine Nachfrage über die Pressestelle des Unternehmens führt im zweiten Anlauf zum Anruf einer freundlichen Dame, die aber über die Stiftung keine substanziellen Aussagen machen kann. Das sei Angelegenheit des Vorstands und ich möge bitte meine Fragen per Mail übersenden. So schreibe ich:

„Ich habe gelernt, dass die Stiftung weder über eine Website verfügt noch einen Jahresbericht veröffentlicht. Für ihre Bereitschaft, mich mit gewünschten Informationen zu versorgen, bedanke ich mich daher sehr.
Konkret interessiere ich mich für:

• die Satzung

• Ihre Bestätigung, dass die Stiftung als gemeinnützig anerkannt ist

• das ausgewiesene Stiftungskapital

• die Summe der jährlichen Einnahmen/Ausgaben für das letzte erfasste Jahr

• die Zahl der Stiftungsmitarbeiter

• die Mitglieder der Organe

• die wichtigsten Projekte/Programme/Förderungen.“

Es folgt ein ebenso freundliches Telefonat mit dem Stiftungsvorstand Professor Dr. Dieter-Heinz Hellmann. Er führt aus, dass die Stiftung der Stiftungsaufsicht alle gewünschten Informationen gebe und keine Beanstandungen erfahre. An öffentlicher Werbung sein man nicht interessiert. Das freundliche Gesprächsergebnis ist knallhart: Null Informationen über Namen von Organmitgliedern, Vermögen, Fördergebiete oder irgendetwas zum Tun und Lassen der Stiftung, die zu den größten in Deutschland gehören dürfte.

Dem Gesetz wird Genüge getan. Aber es sind Haltungen wie diese, die den Ruf des deutschen Stiftungswesens beschädigen und Munition für einen Regulierungswahn liefern, der Stiftungen mit einer sichtbar gelebten Gemeinwohl-Haltung die Arbeit schwer macht.

Gelingende Vertrauensstiftung wünscht Ihnen

herzlich
Ihr
Wolf Schmidt

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