Geheimnis Treuhandstiftung

Unter den vielen Geheimnissen der Stiftungswelt gehört zu den undurchsichtigsten die Treuhandstiftung. Niemand – außer vielleicht dem Finanzminister – weiß, wie viele es gibt, über wie viel Kapital sie verfügen und was sie eigentlich tun.

Die kleinste Treuhandstiftung, der ich in meinem Stiftungsleben begegnet bin, hat jemand mit 1000 € gegründet. Zum Treuhänder hat der Stifter sich selbst gemacht. So kann er quasi privat gemeinnützig wirken, denn natürlich kann er seine Spenden an seine Treuhandstiftung steuerlich absetzen.

Die Treuhandstiftung gilt als Kleinformat des Stiftens. Aber das täuscht. Gerade hat der Bundesverband Deutscher Stiftungen wieder sein Ranking der vermögendsten Stiftungen veröffentlicht. An der Spitze steht die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung, Hauptaktionären der Fresenius AG, mit einem Vermögen von über 6 Milliarden Euro. Es folgen Bosch und die Stiftungen der beiden SAP-Gründer Dietmar Hopp und Klaus Tschira, der kürzlich verstorben ist. Auf Position fünf steht die vom Staat gegründete VolkswagenStiftung mit Assets von 2,9 Milliarden Euro.

Irgendwo unter die reichsten fehlt eine Stiftung: die Zeppelin-Stiftung. Sie taucht in dieser Liste nicht auf, weil sie eine Treuhandstiftung ist. Eine Treuhandstiftung, die 93,8% der Anteile an der ZF AG hält. Die ZF AG wiederum ist einer der größten deutschen Industrie-Konzerne mit einem Umsatz von rund 30 Milliarden Euro und 138.000 Mitarbeitern weltweit. Treuhänderin ist übrigens die Stadt Friedrichshafen, die aus den Erträgen einen Großteil ihres Sozial- und Kulturhaushalts finanziert.

Treuhandstiftungen sind nirgendwo für die Öffentlichkeit registriert. Schon ihre pure Existenz fällt unter das Steuergeheimnis. Wer will, kann seiner Treuhandstiftung allerdings einen Website-Auftritt verschaffen und sie zum Medienstar machen. Treuhandstiftungen können äußerlich einer echten rechtsfähigen Stiftung mit Geschäftsstelle, Vorstand, Stiftungsrat, Beratungsgremien usw.  zum Verwechseln ähnlich sehen

Tatsächlich ist nach Meinung vieler Experten die Treuhandstiftung aber gar keine Stiftung, denn ihr fehlt die rechtliche Selbständigkeit. Sie ist keine juristische Person und kann nicht in eigenem Namen handeln, deshalb kann sie übrigens auch nicht erben.

Es besteht in Fachkreisen weitgehend Einigkeit, das es wohl mehr Treuhandstiftungen als rechtlich selbstständige Stiftungen gibt. Die Zahl letzterer wurde für 2015 gerade mit 21301 festgestellt.

Die Karriere der Treuhandstiftung hat mehrere Gründe.

  • Eine Treuhandstiftung lässt sich schnell ohne lästiges Stiftungsgeschäft zum Beispiel noch kurz vor Jahresende gründen.
  • Sie gewährt dieselben Steuervorteile wie die rechtlich selbständige BGB Stiftung.
  • Sie verlangt kein Mindestkapital.
  • Sie unterliegt nicht der Stiftungsaufsicht und kann ohne deren Zustimmung neu ausgerichtet werden.
  • Nicht zuletzt machen Treuhänder (Banken, Rechtsanwälte, steuerberatende Berufe, Berufstreuhänder aller Art, auch Stiftungen) massiv Werbung für diese Gestaltungsform.

Die Treuhandstiftung als Rundum-Sorglos-Paket?
Mitnichten!

Wer alle Eventualitäten bedenken will, hat mit dem Treuhand- oder Schenkungsvertrag mindestens so viel Aufwand wie mit der Satzung einer rechtlich selbständigen Stiftung.

Der Stifter liefert sich einem Treuhänder aus, in dessen Vermögen das Kapital der Treuhandstiftung übergeht. Es ist dort zwar ein Sondervermögen, aber zum Beispiel im Fall einer Insolvenz des Treuhänders können hässliche Probleme entstehen. Der Treuhänder hat in allen Stiftungsdingen das letzte Wort. Er handelt für die Stiftung.

Der Wechsel des Treuhänders ist eine schwierige Sache, wenn er überhaupt möglich ist.

Die Nachhaltigkeit ist außer bei Institutionen wie etwa dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft sehr genau zu hinterfragen. Was passiert bei Tod – oder im Falle einer juristischen Person: Liquidierung – des Treuhänders?

Treuhänder kann schließlich jede natürliche oder juristische Person werden. Sachkunde und ein sauberes Strafregister sind nicht erforderlich. Treuhänder können unentgeltlich arbeiten, häufig sind sie aber kommerziell tätig. Um unseriösen Wildwuchs einzudämmen, hat der Bundesverband Deutscher Stiftungen ein Prüfsiegel für Treuhänder entwickelt.

Sicher ist die Treuhandkonstruktion sehr unterschiedlich für verschiedene Stiftungsaufgaben geeignet. Finanzielle Förderung im kleinen Rahmen auszuschütten, das ist mit einer Treuhandstiftung gut möglich. Für operative Stiftungsarbeit mit eigenen Projekten und eigenem Personal ist sie weniger geeignet.

Bei einer entsprechenden Vertragsgestaltung kann die Treuhandstiftung auch eine gute Plattform für die spätere Errichtung einer selbständigen Stiftung werden.

Aus dem Blickwinkel des Stiftungswilligen ist es erst mal ein Vorteil, dass der Gesetzgeber so viele rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten für gemeinnütziges Engagement gibt. Die beratenden Berufe freuen sich darüber nicht minder. Aus Sicht des Stiftungswesens mag man aber auch einen Mangel an Klarheit und Wahrheit beklagen. Und für die Öffentlichkeit – zumal ihre mit zur Kasse gebetene steuerzahlende Fraktion – ist die fehlende Transparenz ärgerlich.

Am Ende allerdings geht es beim guten Stiften und erfolgreichen Gemeinwohl-Engagement um kompetente und leidenschaftliche Akteure, Inhalte, Konzepte, Strategien… Ihnen muss die Rechtsform dienen.

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