Evaluation von Stiftungen

Das Interesse an Evaluation von Stiftungen und in Stiftungen wächst. Das zeigen auch die Beratungsanfragen, die mich erreichen.

Dahinter steckt eine zunehmende Wirkungsorientierung, Erfolgsorientierung und ein gesteigertes Effizienzdenken im gesamten Dritten Sektor. Es geht aber nicht nur um die im Kern richtige Frage, wie aus jedem Euro ein Maximum an Gemeinwohlnutzen zu generieren ist. Das Interesse an Evaluation spiegelt auch eine erhebliche Verunsicherung von Gemeinwohlakteuren wider.

Stiftungen sind im Vergleich zu vielen anderen Einrichtungen des Dritten Sektors in einer besonderen Lage. Wer Drittmittel oder Spenden akquirieren muss oder wer – zum Beispiel im Bereich Gesundheit, Pflege, Erziehung – Leistungsentgelte für einen gemeinnützigen Betrieb erwirtschaften muss, hat eine Art Markt-Feedback. Deshalb sind gerade Fundraising-Stiftungen häufig besonders aufgeschlossen für die kontinuierliche Verbesserung ihrer Arbeit (und für die Nutzung von Beratungsleistungen). Spendensammelnde Stiftungen merken schnell und schmerzhaft, wenn ihr Geschäftsmodell an Überzeugungskraft verliert. Überzeugungskraft ist dabei nicht ganz unabhängig von Wirkung aber schon gar nicht damit identisch. Hier kommt vielmehr der Faktor Marketing ins Spiel.

Für klassische Stiftungen, die ihre Förderaktivitäten oder operative Arbeit aus eigenen Vermögenserträgen finanzieren, ist die Lage einfacher und schwieriger zugleich. Einfacher, weil sie keine Geldgeber werben müssen, schwieriger, weil sie damit noch weniger Erfolgsindikatoren zur Verfügung haben. Sie stehen immer in der Gefahr, dem Verdacht und möglicherweise dem Selbstzweifel, sich selbst zu genügen und zu belügen.

Evaluation also als Ersatz für Markt-Feedback, für die Bilanz des Unternehmens? Im Prinzip ja, allerdings stellen sich viele konkrete Fragen zu Stiftungsstrategie und Stiftungsmanagement.

Eine Bilanz – oder eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung – macht eine Stiftung auch. Sie sagt u.a. etwas über den Erfolg der Vermögensanlage, aber leider gar nichts über den Erfolg der ideellen Zweckverwirklichung, also des eigentlichen „Geschäfts“ der Stiftung. Ob die Jahresrechnung der Stiftung in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen ist, mit einem Verlustvortrag oder einem Gewinnvortrag endet, hat wenig Aussagewert: Für inaktive und damit wirkungslose Stiftungen ist es ein Leichtes, mit einem Jahresüberschuss zu enden, der inhaltliche „Erfolg“ einer aktiven Stiftung kann sich andererseits in einem finanziellen Verlust niederschlagen.

Evaluation im Stiftungswesen beginnt mit Zählen – im Fachjargon „Output“ genannt: Wie viel Arbeitsstunden wurden geleistet, wie viel Einladungen und Pressemeldungen versandt, wie viel Flyer produziert, wie viel Veranstaltungen durchgeführt… Und wie viel Betroffene haben reagiert, wie viele sind Einladungen gefolgt, wie viele haben sich für eine ehrenamtliche Mitarbeit gemeldet oder an einer Ausschreibung teilgenommen, wie viele Klicks hat die Website bekommen, wie viel Medienresonanz gab es… Daraus lässt sich zum Beispiel errechnen, was jeder gewonnene Teilnehmer einer Ausschreibung oder eines Projekts kostet oder wie viel Arbeits- und Finanzaufwand in ein bestimmtes Event geflossen ist. Meine Erfahrung ist, dass solches Zählen und Rechnen auch für die damit täglich befassten Mitarbeiter viele Überraschungen birgt. Häufig wird nämlich unterschätzt, wie groß der Aufwand für klein erscheinende Aktivitäten ist.

Allerdings kann man auch in Zahlen untergehen und die Mitarbeiter mit Dokumentationspflichten von erfolgreicher Arbeit abhalten. Deshalb ist ein klares Konzept nötig, welche Daten für welche Zwecke sinnvoll sind.

Output sagt noch nichts über qualitative Effekte oder – wieder Fachjargon – über das „Outcome“ von Stiftungsarbeit.

Nehmen wir das Beispiel Lesementoren in der Grundschule. Output würde messen, wie viele ehrenamtliche Lesementoren haben wie viele Stunden mit wie vielen Kindern gelesen. Outcome würde herauszufinden versuchen, wie sich dadurch das Interesse der Kinder am Lesen, die Lesefähigkeit der Kinder oder allgemeiner noch die Unterrichtsbeteiligung und das Sozialverhalten (z.B. Verbalisieren statt Hauen) verbessert haben. Das ist offensichtlich viel anspruchsvoller als Output, denn hier geht es um kausale Annahmen.

Ist es schon schwierig genug, Vorher-/Nachher-Befunde zu erheben, gilt das erst recht für die Analyse der beteiligten Faktoren: Vielleicht spielte ja das Wetter, eine Fußballweltmeisterschaft, die Vorweihnachtszeit, eine Grippe-Epidemie oder ein Lehrerwechsel eine Rolle? Entscheidend ist deshalb bei solchen Befunden auch immer die theory of change, mit der die Wirkungsmechanik eines Projekts antizipiert wurde, kritisch in den Blick zu nehmen.

Die dritte Ebene der Evaluation betrifft schließlich „Impact“, das ist im Unterschied zur Wirkung auf den einzelnen Programmteilnehmer die gesellschaftliche Wirkung: Weil das Lesementoren-Programm an zehn Schulen – wahrscheinlich durch eine Evaluation nachgewiesen – so erfolgreich war, konnte die Stiftung erreichen, dass das Kultusministerium eine landesweit flächendeckende Lesementoren-Struktur schafft. Sie kommt ohne weiteres Engagement der Stiftung aus und die Stiftung hat damit eine nachhaltige gesellschaftliche Veränderung bewirkt. Diese Form von Impact ist Traum eines jeden strategisch operierenden Stiftungsverantwortlichen. Problem der Impact-Evaluation: Kaum je lässt sich eine Veränderung auf gesellschaftlicher, politischer oder gesetzlicher Ebene sauber auf einen einzelnen Akteur zurückführen. Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter.

Evaluationen sind möglich auf der Ebene einzelner Projekte oder Programme. Zunehmend geht es aber auch um die Evaluation von Stiftungen, die sich aber über ihre Gesamtperformance klar werden wollen. Das ist umso schwieriger, je größer und komplexer – in ihren Aktivitäten diverser – eine Stiftung agiert.

Zu bedenken ist auch, ob es um eine klassische Ergebnisevaluation (eine summative Evaluation) oder um eine den weiteren Verlauf mitprägende formative Evaluation geht oder gar ex-ante evaluiert werden sollte. Noch anspruchsvoller und spannender sind vergleichende oder Meta-Evaluationen über verschiedene Projekte und Stiftungen hinweg.

An dieser Stelle kann nur ein Gefühl für die Herausforderung „Evaluation“ vermittelt werden. Was 1973 mit einem Artikel des US-Stiftungspräsidenten Orville G. Brim unter der immer noch aktuellen Überschrift „Do We Know What We Are Doing?“ begann, ist mittlerweile eine sehr ambitionierte Profession geworden. Als US-Beispiele seien die „Evaluation Principles and Practices“ der William and Flora Hewlett Foundation und die „Evaluation Policy“ der Bill & Melinda Gates Foundation genannt. Nützliche „Standards für Evaluation“ hat die Deutsche Gesellschaft für Evaluation entwickelt. Auch die „Zehn Thesen zur Evaluation im Stiftungswesen“ bieten immer noch Orientierung.

Evaluation kostet Zeit, Geld und last but not least Aufmerksamkeit des Managements. Hinsichtlich der Kosten wird gelegentlich von 15% des Projektbudgets gesprochen. Wäre das zu rechtfertigen? Die Antwort hängt vom angestrebten Nutzen einer Evaluation ab. Um den Schnee von gestern zu messen oder die Stiftungsorgane von der Leistung des Managements zu überzeugen, wäre vermutlich jeder Prozentsatz zu hoch. Soll dagegen ein bisher begrenztes Experiment hochskaliert werden, könnte es sogar Sinn machen, für die Evaluation mehr Geld auszugeben als für das Projekt selbst, weil das eine Investition sein könnte, die sich in späteren Budgets lohnt.

Schließlich bleibt die Frage: Wer soll die Evaluation durchführen? Drei Grundrichtungen bieten sich an:
• die sozialwissenschaftliche Evaluation mit quantitativen, qualitativen oder beide verbindenden Methoden
• die Peer-Evaluation – häufig in der Form einer Kommission, der Daten zur Verfügung gestellt werden müssen
• die Selbst-Evaluation entweder durch eine eigene Evaluationsabteilung (nur bei sehr großen Stiftungen), eine ad-hoc-Gruppe oder das Management der Leitungsebene.

Einen Königsweg gibt es nicht, alle drei Ansätze haben Vor- und Nachteile. Entscheidend ist der jeweilige Zweck.

Eine kompetente Außensicht gehört zu jeder Evaluation von Stiftungen dazu. Und bevor sich die Stiftung auf das Abenteuer Evaluation einlässt, sollte sie sich unabhängigen Rat einholen, welcher Ansatz und welcher Aufwand sinnvoll ist.

 

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