Dürfen Stiftungen Schwäche zeigen?

„Schwindet das Harmoniebedürfnis im Stiftungssektor?“ titelte das Fachmagazin „Die Stiftung“ in der Juli-Ausgabe. Der „Raum für kontroverse Debatten und Selbstkritik“ sei „viel zu klein“, werde „von Stiftungsvertretern und Dienstleistern gleichermaßen“ bemängelt. Unter letzteren wurde auch ich zitiert, während sich viele offenbar zu diesem Thema nicht explizit äußern wollten. Da genieße ich meine Unabhängigkeit.

Zur Harmonie unter Stiftungen gehört, dass jede unwidersprochen von ihren Erfolgen erzählt. Podien auf Stiftungsmeetings stellen kaum die Botschaften der Mitdiskutanten infrage sondern jeder tischt seine Erfolge auf. In unserer Gesellschaft erzählen ohnehin alle von ihren Erfolgen: Politiker, Unternehmer, Arbeitnehmer, Freiberufler… Soweit es um Politik und Wirtschaft geht, gibt es zumindest Medien, die das kritisch hinterfragen. Nicht selten allerdings auch erst, wenn die Spatzen das Scheitern vom Dach pfeifen.

Stiftungen werden von der kritischen Öffentlichkeit höchstens in den Blick genommen, wenn es um offenbar Skandalöses geht oder man sich – wie bei der Bertelsmann Stiftung – über einen längeren Zeitraum auf das Ziel eingeschossen hat. Das ist aber nicht zu verwechseln mit einer sachlich-kritischen Analyse von Stiftungsarbeit und Stiftungsprojekten. Selbst die Fachmagazine bleiben da meist auf dem Niveau von Hofberichterstattung.

Dürfen Stiftungen Schwäche zeigen? Die Antwort fällt nicht leicht. Generell gilt, dass immer weniger Publikum glaubt, die Chefetage habe alles im Griff. Wenn aber Alle ihr Handeln schönreden, fällt es schwer, im Einzelfall offener zu kommunizieren. Denn wenn bei dieser gesellschaftlichen Erwartungshaltung jemand selbst Schwächen zugibt, erscheint das als Indiz, dass noch viel mehr im Argen liegen muss.

Andererseits kennen wir aus dem persönlichen Miteinander: Schwächen, zu denen man steht, machen eher sympathisch. Schließlich wissen wir alle um unsere Unvollkommenheit.

Wer sich – wie viele Stiftungen – brüstet, zum gesellschaftlichen Nutzen auch Risiken einzugehen, ist geradezu beweispflichtig, dass auch Ansätze und Projekte scheitern. Schließlich ist Risiko durch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit des Misserfolgs definiert. Was uns allerdings fehlt, ist ein seriöser und sympathischer Stil von Misslingens-Kommunikation.

Gefährlich wird es, wenn wir am Ende auf unsere eigene Schönrednerei reinfallen und uns damit die Energie nehmen, Probleme anzupacken und Konsequenzen zu ziehen.

Man muss die eigenen Schwierigkeiten nicht gleich in die Zeitung setzen. Meine Erfahrung zeigt, wie wertvoll das vertrauliche Gespräch unter Stiftungen – und mit Stiftungsberatern – wird, wenn offen über Probleme der eigenen Arbeit geredet wird. Die Maske des ewigen Erfolgs selbst fallen zu lassen und von anderen zu hören, welche Baustellen sich hinter der Erfolgsfassade auftun, wird geradezu als befreiend und beglückend empfunden.

Für Stiftungen läuft vieles nicht glatt und nicht selten ist der Begriff der „Herausforderung“ dafür ein Euphemismus – ob es nun um Vermögensanlagen und Fundraising, Ehrenamt und interne Konflikte, Projektansätze oder Öffentlichkeit geht.

Lassen Sie uns alle ein bisschen mutiger über Schwierigkeiten reden…
Es grüßt sie herzlich
Ihr
Wolf Schmidt

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