Bürger-Engagement in Stiftungen

Die Begriffe sind vielfältig: Ehrenamt, freiwilliges Engagement, Bürger-Engagement… Zusammengefasst werden sie häufig unter dem Oberbegriff der Zivilgesellschaft, obwohl das Ehrenamt – z. B. der Schöffe in der Strafkammer, der Gemeinderat oder der ehrenamtliche Bürgermeister – sehr viel mehr umfasst.

Wenn in der Öffentlichkeit von bürgerschaftlichem Engagement die Rede ist, denken Viele an Vereine und Bürgerinitiativen aber kaum an Stiftungen. Dabei ist Stiftungsarbeit ein Paradebeispiel für freiwilliges Engagement.

Auch wenn manche Institutionen in der Rechtsform der Stiftung hunderte oder gar tausende Angestellte unter Vertrag haben und hauptamtlich geführt werden – die allermeisten Stiftungen existieren doch durch unbezahlte Mitarbeit in Stiftungsprojekten, Vorständen, Stiftungsräten, Jurys, Beiräten etc. Da ist es erstaunlich, wie wenig systematische Beachtung der „Faktor Mensch“ in Stiftungsdiskursen erfährt.

Das fällt besonders im Vergleich zur Vermögensanlage auf. Dabei ist der systemische Zusammenhang zwischen Zinskrise und Bürger-Engagement offensichtlich: Je weniger sichere Erträge zur Verfügung stehen, umso stärker zählen unbezahlte Leistungen von Stiftungsengagierten.

Als die Stiftungsbäume in den neunziger und frühen 2000er Jahren angesichts eines absehbaren Erbschaftstsunamis noch in den Himmel zu wachsen schienen, waren Stiftungen gut als Non-Profit-Unternehmen mit bezahlten Mitarbeitern und Manager-Karrieren vorstellbar. Heute beobachten wir, wie sich die Schere öffnet zwischen einer relativ kleinen Zahl von Stiftungen, die aufgrund guter Ressourcen konsequent den Weg angestellter Professionalisierung gehen können, und einer großen Zahl, deren Ertrag keine einzige bezahlte Vollzeitstelle zulässt. Aber selbst die großen professionellen Stiftungen müssen ihre Wirkung mit ehrenamtlicher Mitarbeit von Juroren, Tutoren oder Mentoren an der Basis sowie Stiftungsräten, Kuratoren und Beiräten in der Führungsebene hebeln.

Das Ehrenamt – also die Berufung in Organe und Gremien von Stiftungen – ist Gegenstand des Dezember-Heftes der vom Bundesverband Deutscher Stiftungen herausgegebenen „StiftungsWelt“. Berit Sandberg gibt dort einerseits interessante Einblicke in die Gehaltsstruktur von Stiftungen und schätzt zugleich, dass 96 Prozent der Stiftungen Organe haben, die ganz oder teilweise von Ehrenamtlichen besetzt werden. Sie folgert: “Ohne Ehrenamtliche würden die meisten Stiftungen nicht überleben.“

Die für Stiftungsarbeit in mancher Hinsicht atypische Gremienarbeit in Bürgerstiftungen wird in dem Heft ebenso beleuchtet wie die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation, die – durchaus begrenzte Haftung – von Ehrenamtlichen, die Bedeutung von Diversity und Teilhabe etwa von Jugendlichen oder das reiche Konfliktpotenzial in Stiftungsbiotopen.

Meine thematische Einführung in das Heft steht unter dem Titel „In guten Händen – Grundlagen erfolgreicher Stiftungsarbeit in Organen und Gremien“. Sie klärt zunächst den mehr Insidern bewussten Unterschied von Gremien und Organen – letztere sind mit Rechten und Pflichten in der Satzung festgelegt, während Gremien jederzeit in unterschiedlichster Form und mit bedeutungsschweren Titeln vom Vorstand eingerichtet und abgeschafft werden können. Sodann geht es um fünf Dimensionen, die für die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen in Organen und Gremien fundamental sind.

Da steht an erster Stelle die tatsächliche Einsatzbereitschaft, die zum Beispiel bei einem Vorstand viel ausgeprägter als bei einem Aufsichtsgremium sein muss. Zweitens spielen Integrität und Vertrauen eine Schlüsselrolle, die je nach Stiftungstyp – fördernd, operativ oder fundraisend; Wissenschaft oder Tierschutz – unterschiedlich ausgeprägt ist. Drittens geht es um die Vorteile aber auch Fallstricke von Kompetenz und Prominenz der Ehrenamtlichen. In der vierten Dimension sind Interessen und Rollen der Mitglieder vorab und in der Praxis immer wieder zu klären, um Konflikte und Enttäuschungen zu vermeiden. Fünftens – aber nicht zuletzt – geht es um die Teamfähigkeit aller Mitspielenden und die Sicherung einer guten Teamleistung.

Wo Menschen im Mittelpunkt stehen, versagen simple Kriterien und Checklisten. Das gilt besonders, wenn man nicht aus einem großen Fundus von Stellenbewerbungen schöpfen kann, sondern um unbezahltes Engagement werben muss. Aber die Reflektion der eigenen Werte und Maßstäbe wird dann umso wichtiger.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Rekrutierung von Stiftungsengagierten und ein Team, das sich durch Spaß und Wirksamkeit auszeichnet.
Es grüßt sie herzlich
Ihr
Wolf Schmidt

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