Verbrauchsstiftung im Fokus

Die Verbrauchsstiftung macht Karriere – zumindest in Gesprächen mit Stiftern. Seit 2013 erlaubt der Gesetzgeber eine BGB-Stiftung, die ihr Vermögen innerhalb von mindestens zehn Jahren verbraucht. Was macht eine Verbrauchsstiftung attraktiv?

Die Nullzinspolitik der Finanzrepression hat die Ewigkeitsstiftungen erreicht. Große Stiftungen mit alten Vermögen – besonders wenn es in Immobilien und gute Unternehmensbeteiligungen angelegt ist – und daraus gebildeten Rücklagen können sich noch glücklich schätzen. Bei immer mehr kleineren Stiftungen unterschreiten die Erträge Grenzwerte der Arbeitsfähigkeit. Neu gegründete Stiftungen, in die nur Barwerte eingebracht werden, fragen sich verzweifelt, wie sie ihr Kapital ertragbringend anlegen sollen. Eine zusätzliche Komplikation bildet dabei das unbedingte Kapitalerhaltungsgebot, das riskante Anlagen für Stiftung und Vorstand gefährlich macht.

Da scheint es einen Ausweg zu eröfffnen, die Erträge durch Substanzverzehr in eine passable Größenordnung zu bringen.

Ein anderer Grund für eine Verbrauchsstiftung mag ein Gedanke sein, der in den USA unter dem Motto giving while living existiert. Stifter wollen selbst die wohltätigen Effekte ihrer Stiftung erleben und steuern. Gerade in den USA trifft sich das mit einer langjährigen Debatte über die liberal foundations. „Liberal“ klingt für das konservative Amerika nach kommunistischen Umtrieben. Gerade die liberal foundations verdanken sich aber häufig imperialistischen Tycoons wie Ford und Rockefeller. Kritiker sagen, diese würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüssten, was ihre Nachfolger mit ihrem Vermögen anstellen.

Für die USA ist die Idee der Verbrauchsstiftung – das spending down – längst etabliert. Als in den 1960er Jahren die liberal foundations sich besonders für die Kennedy-Präsidentschaft engagierten, haben die Republikaner entsprechend reagiert. Sie legten fest, dass Stiftungen jährlich 5% ihres Vermögens (nach Marktwerten) für gemeinnützige Zwecke auszugeben haben. Auf diese Weise sollten Stiftungen geschwächt werden. In der Realität kam es anders. Ohne Kapitalerhaltungsgebot konnten US-Stiftungen Anlagerisiken eingehen, die in Deutschland undenkbar wären. Damit sind gerade die führenden Stiftungen über lange Jahre ziemlich gut gefahren.

Die deutsche Ewigkeitsstiftung hat ihre Wurzeln letztlich im religiösen Denken des Mittelalters. Die Wohltätigkeit der Stiftung sollte nach dem Ableben des Stifters dafür sorgen, dass viele Empfänger ihrer Leistungen für sein Seelenheil beten und ihn vor dem Fegefeuer bewahren. Die Stiftung diente als Seelenheil-Versicherung. In diesem Sinne enthalten zum Beispiel die Mietverträge der Augsburger Fuggerei bei einer Jahreskaltmiete von 88 Cent bis heute die Klausel, dass die Bewohner dreimal täglich für den Stifter und seine Familie zu beten haben. So gehören Seelenheil und Kapitalerhalt systematisch zusammen.

Seelenheil als Stiftermotiv ist heute – soweit es um den persönlichen Nutzen geht – weitgehend durch das der Denkmalsetzung verdrängt worden. Da mag jeder für sich entscheiden, ob er für zehn, hundert oder tausend Jahre Erinnerung sorgen möchte. So scheint zunächst vieles für die Verbrauchsstiftung zu sprechen. Es sind aber auch einige kritische Überlegungen angebracht.

Woran in Deutschland überhaupt kein Mangel besteht, das sind Rechtsformen zur Verfolgung gemeinnütziger Aufgaben. Die meisten gesellschaftsrechtlichen Unternehmensformen haben auch ihre gemeinnützige Entsprechung unter Kontrolle des Finanzamts. Wer unbedingt Wert auf das Markenzeichen „Stiftung“ legt, kann sie zum Beispiel in der Rechtsform von Verein, GmbH oder AG gründen. Die davon zu unterscheidende BGB-Stiftung zeichnet sich durch drei Besonderheiten gegenüber allen anderen aus:

  • Sie bildet ein Vermögen, das sich selbst gehört (ohne Mitglieder oder Anteilseigner).
  • Sie ist auf Nachhaltigkeit oder Ewigkeit angelegt.
  • Sie genießt ein steuerliches Privileg.

Das Steuerprivileg besteht darin, dass neben dem üblichen Spendenabzug von bis zu 20% des zu versteuernden Einkommens eine Zuwendung in den unverbrauchbaren Vermögensstock der BGB-Stiftung mit bis zu 1 Mio. Euro (bei Zusammenveranlagten 2 Mio.) über einen Zeitraum von maximal 10 Jahren steuermindernd geltend gemacht werden kann.

Anders ausgedrückt: fast die Hälfte der Kapitaleinlage in dieser Höhe kann – bei entsprechenden Voraussetzungen – vom Finanzamt zurückerstattet werden. Genau dieses besondere Steuerprivileg gilt nicht für die Verbrauchsstiftung.

Damit stellt sich die Frage, warum die Stiftung nicht ganz traditionell zum Beispiel als gemeinnützige GmbH mit dem dafür nötigen Grundkapital von 25.000 € begründet werden sollte.

Bei der Entscheidung für oder gegen eine Verbrauchsstiftung gilt es nicht nur die zur Verfügung stehenden Gelder zu bedenken. Im Zentrum steht die Aufgabenstellung. Ist die Aufgabe zeitlich befristet wie etwa der Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche? Geht es nur um eine Förderstiftung, die in einer bestimmten Situation finanziell Anschub und Unterstützung leisten soll? Oder handelt es sich um ein operatives Vorhaben, bei dem die Stiftung erst einmal Strukturen und Know how aufbauen muss? Dann wirkt die Stiftung häufig auch über ihre materiellen Ressourcen hinaus mit ihrer Reputation, die nur durch langfristige Arbeit aufzubauen ist. Manche Stiftungen beginnen ihre Potentiale erst nach zehn und mehr Jahren zu entfalten.

Eindeutig sinnvoll als Antwort auf die gegenwärtige Renditeschwäche ist dagegen eine Teilverbrauchsstiftung. So hat die Bundesregierung die Stiftung Datenschutz mit 10 Mio. Euro ausgestattet, von denen 1 Mio. in einem bestimmten Zeitraum verbraucht werden dürfen. Bei der Teilverbrauchsstiftung genießt nur der zum Erhalt bestimmte Teil das steuerliche Sonderprivileg.

Die wesentlich brisantere Debatte betrifft allerdings die Umwandlung von Alt-Stiftungen mit Ewigkeitsanspruch in Verbrauchsstiftungen neuen Rechts. Die Stiftungsaufsichten der Bundesländer, die dies genehmigen müssen, sind hier mehr oder weniger restriktiv und orientieren sich am Stifterwillen, wie er in der Satzung fixiert wurde.

Dass ein Stifter vor zehn oder mehr Jahren die Möglichkeit der Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung in der Satzung festgehalten hätte, ist einigermaßen unwahrscheinlich. Was der Stifter heute denkt, ist für die Stiftungsaufsicht zumeist nicht irrelevant aber auch nicht ausschlaggebend.

So ist die Umwandlung in erster Linie eine Alternative zur Auflösung der Stiftung wegen Unmöglichkeit, noch nennenswert gemeinnützige Leistungen aus den geschmolzenen Erträgen zu erbringen. Auch für diese Umwandlungen gibt es noch keine klare Verwaltungspraxis.

So überzeugend der Gedanke erscheint, eine tendenziell ertragslose Stiftung mit Vermögenssubstanz in eine Verbrauchsstiftung umzuwandeln, entstehen auch hier schwierige Fragen.Dabei denke ich nicht nur an die Rückwirkung auf frühere Steuervorteile.

Tatsächlich ist es sehr schwer, irgendeine Ertragssumme konkret zu benennen, ab der eine Umwandlung zu genehmigen wäre. Die eine Stiftung kann auch mit 1.000 € pro Jahr und ehrenamtlichem Einsatz noch einen Zweck erfüllen, die andere ist mit einer halben Million schon unter dem Limit der Handlungsfähigkeit.

Wenn ein Stifter sich für die Umwandlung entscheidet, erscheint mir das grundsätzlich legitim. Stiftungen müssen aber auch davor bewahrt werden, dass ein Vermögen, welches der Stifter vielleicht mühsam aufgebaut hat und das mit viel Fundraising gemehrt wurde, durch Umwandlung verjubelt wird. Für einen Vorstand kann es ja durchaus attraktiv sein sich nicht der Last des Erhalts und der Vermehrung des Vermögens, der Nachfolgesuche und all den Mühen der Stiftungsebene zu unterziehen sondern sich lieber als großzügiger Gönner feiern zu lassen und vielleicht aus dem Zuwachs flüssiger Mittel noch ein gutes Gehalt zu beziehen.

So will beim Thema Verbrauchsstiftung vieles bedacht werden…

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