Stiftungswirr


Der Begriff Stiftung klingt immer gut. Was eine Stiftung ist, soll und kann, erscheint allerdings zunehmend wirr. Das jüngste Beispiel liefert die Bundesregierung. Im September lancierte Bundeswirtschaftsminister Altmaier auf der Ebene eines internen Arbeitspapiers – aber doch öffentlich – die Idee einer „Bürger-Stiftung Klimaschutz“, die sich durch folgende Eckpunkte auszeichnen soll:

  • – Ausstattung aus dem Bundeshaushalt mit einmalig 5 Mrd. Euro
  • – jährliche Zuwendung aus dem Bundeshaushalt von einer Milliarde Euro
  • – zusätzlich Spenden sowie Jahresbeiträge von „Mitgliedern“ in beliebiger Höhe
  • – Stiftungsziel: Vergabe von zinslosen Darlehen für Klimaschutzprojekte in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro pro Empfänger im Gesamtvolumen von bis zu 50 Milliarden Euro auf 30 Jahre
  • – Deckung der Differenz zwischen Eigenmitteln der Stiftung und Darlehensvolumen durch Bürgeranleihen mit einer Stückelung von maximal 2.500 € pro Zeichner, die mit 2 % p.a. auf 10 Jahre fest verzinst werden sollen.

Dass die öffentliche Hand als Stifter auftritt und zusätzlich Private animiert, sich an einem solchen Stiftungsprojekt mit Zustiftungen und Spenden zu beteiligen, ist nicht ungewöhnlich und kann für spezifische Aufgaben auch sehr sinnvoll sein.

„Innovativ“ an dem Altmaier-Projekt ist die Idee, zu vergleichsweise hoher Verzinsung Geld aufzunehmen, das zinslos ausgereicht wird. Die Differenz soll aus den Zuwendungen des Bundes gedeckt werden, der sich selbst allerdings das Geld gegenwärtig zu Negativzinsen am Kapitalmarkt besorgen könnte. Hinzu kämen Transaktionskosten und Ausfälle von Rückzahlungen, die sich gewiss auf Milliarden summieren würden. Schließlich kämen als Darlehensnehmer ja in erster Linie die Adressen in Frage, die Schwierigkeiten haben, dem Kapitalmarkt die Wirtschaftlichkeit ihrer Vorhaben plausibel zu machen. Anderenfalls brauchte es diese Stiftung nicht.

Der Effekt für die Zeichner des Stiftungsanleihe wäre mit Erträgen von maximal 50 € pro Jahr minus Kosten nicht der Rede wert.

Die klassische Idee, Stiftungsarbeit nachhaltig aus den Vermögenserträgen zu finanzieren, wird hier auf den Kopf gestellt. Und der Gedanke des Mission Investing mit einer kompletten Vermengung von Kapitalanlage und Zuwendung ins Groteske getrieben. Jeder, der sich an die „Zehn Merkmale einer Bürgerstiftung“ erinnert, muss sich die Haare raufen.

Man kann diesen Stiftungseinfall mit Kopfschütteln in den Papierkorb befördern. Allerdings verweist er auf ein generelles Problem von Klarheit und Wahrheit dessen, was als Stiftung firmiert. Um ein paar Schneisen ins Wirrwarr zu schlagen:

Zu unterscheiden sind öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Stiftungen. Erstere kann nur von der öffentlichen Hand durch Gesetz, Verwaltungsakt oder Kabinettsbeschluss auf Bundes- oder Landesebene errichtet – und ebenso auch hingerichtet – werden. Hinzu kommt die Sonderform der kommunalen Stiftung in einer – ja nach Bundesland – verwirrenden Vielfalt von Rechtsvorschriften.

Eine privatrechtliche Stiftung kann sowohl die öffentliche Hand als auch jede natürliche oder juristische Person ins Leben rufen. Die Stiftung bürgerlichen Rechts gemäß Paragraphen 80 bis 88 des BGB steht unter der staatlichen Stiftungsaufsicht in 16 verschiedenen landesrechtlichen Variationen.

Eine Stiftung ohne staatliche Stiftungsaufsicht kann aber auch in der Rechtsform von Verein, GmbH, UG, AG errichtet werden, dann gilt jeweils Vereins-, Aktienrecht und so weiter.

Darüber hinaus gibt es die nichtrechtsfähige Stiftung (auch unselbständige oder Treuhandstiftung genannt), die bloß beim Finanzamt registriert sein muss.

Hinzukommen kirchliche Stiftungen nach dem jeweiligen Landeskirchenrecht der jeweiligen Konfession unter kirchlicher Stiftungsaufsicht, wobei auch Zwecke infrage kommen, die über kirchliche Arbeit im engsten Sinne deutlich hinausgehen.

Während die klassische Stiftung bürgerlichen Rechts inklusive der kirchlichen sich selbst gehört (so die Fiktion), haben alle anderen Stiftungsformen Mitglieder oder Anteilseigner bzw. den Treuhänder.

Während das Mindest-Stiftungskapital bei der Stiftung bürgerlichen Rechts je nach Zweck von der Stiftungsaufsicht bei der Errichtung im „Stiftungsgeschäft“ individuell festgelegt werden kann (in der Regel zwischen 50.000 und mehreren 100.000 Euro), liegt es bei der StiftungsGmbH bei 25.000 Euro, bei der StiftungsAG bei 100.000 € und die StiftungsUG kann man im Prinzip schon für 1 Euro bekommen.

Bei der Treuhandstiftung geht es je nach Einschätzung des Finanzamtes meist um einen mindestens vierstelligen Betrag.

Während die Stiftung bürgerlichen Rechts eigentlich ein Vermögen voraussetzt, aus dessen Erträgen die Stiftungszwecke finanziert werden können, ist dies längst verwässert durch vielfältige Fundraising-Modelle wie z.B. die Bürgerstiftung, die wiederum eigentlich Kapital-Fundraising betreiben sollte, aber sich mangels risikoarmer Rendite immer mehr auf Spenden-Fundraising für laufende Projekte verlegt.

Wer heute auf eine Stiftung trifft, ohne deren spezielle Hintergründe zu kennen, weiß also nie, ob diese grundsätzlich Geld vergibt oder Geld sucht.

Wegen der Finanzkrise wurde auch für die Stiftung bürgerlichen Rechts die neue Form der Verbrauchsstiftung geschaffen, die sukzessive über mindestens 10 Jahre ihr Kapital verzehrt. Auch Treuhand-Verbrauchsstiftungen sind schon auf dem Markt. Zudem ist die Teilverbrauchsstiftung möglich. Neu im Gespräch ist die „Stiftung auf Zeit“.

Stiftungsnamen unterscheiden nicht zwischen Ross und Reiter. Die Körber-Stiftung ist z. B.. Alleineigentümerin der Körber AG, die Vodafone Stiftung dagegen ein mit Vermögen bescheiden ausgestattetes Geschöpf des Firmenmanagements, mit dem letztlich Unternehmensziele verfolgt werden.

Treuhandstiftungen sind so intransparent, dass in vielen Fällen nicht einmal ihre Existenz öffentlich gemacht wird. Auch Stiftungen bürgerlichen Rechts müssen weder ihre Satzung oder irgendwelche Tatsachen ihrer Arbeit publizieren noch ist durch ein Register nachvollziehbar, wer Handlungsvollmacht für die Stiftung besitzt.

Schließlich geht das Publikum meist davon aus, dass Stiftungen generell gemeinnützig sind. Die Gemeinnützigkeit ist aber völlig unabhängig von der Rechtsform bzw. dem Begriff Stiftung und wird vom Finanzamt in einem gesonderten Verfahren vergeben.

Bei den Stiftungen bürgerlichen Rechts gibt es eine mittlerweile wohl vierstellige Zahl privatnütziger sogenannter Familienstiftungen. Das provoziert immer wieder das Missverständnis, man könnte mit gemeinnützigen Steuerprivilegien Familienvermögen für künftige Generationen sichern, während hier tatsächlich einmalig Schenkungssteuer und wiederkehrend Erbersatzsteuer anfällt.

Hinzukommen Einrichtungen, die sich Stiftung nennen, aber damit wenig zu tun haben. Das kann für Pflegeeinrichtungen genauso gelten wie für die „politischen Stiftungen“, die – außer der „echten“ Friedrich-Naumann-Stiftung – öffentlich subventionierte Vereine sind.  Am schlimmen Ende stehen Projekte wie die „Berliner Wirtschafts- und Finanzstiftung (BWF)“, die nach bisheriger Rechtsprechung tausende Anleger mit Falschgold um ihre Ersparnisse betrogen hat.

Schaut man über die Grenzen, wird das Bild mit unterschiedlichen Konzepten von Privatstiftungen, Stichting, Stiftelsen, Foundation, Fondation oder Trust noch verwirrender.

Der Versuch, in Deutschland das Wirrwarr zu beseitigen und die Stiftung bürgerlichen Rechts mit der ersten maßgeblich von der Grünen Antje Vollmer betriebenen Stiftungsreform zur alleinigen Form zu machen, ist Ende der 90er Jahre leider steckengeblieben.

Seitdem sind Verwirrung und damit Missverständnisse und Missbrauch nur gewachsen. Fatal ist, wenn der Staat wirre Modelle in die Welt setzt, statt mit gutem Beispiel zu Klarheit und Wahrheit beizutragen.

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