Umverteilen durch Stiften?

Die „Stiftung Umverteilen” gibt es seit 1986, gegründet von dem Pharma-Erben Ulf Mann. „Dr. Mann Pharma“ wurde groß z.B. mit Sulfosellan und Vivimed. Ulf Mann ist einer der ungewöhnlichsten Stifter in Deutschland. Er läuft im geflickten Blaumann, hat Knast-Erfahrung, weil er die Geldstrafe für die Beleidigung einer Staatsanwältin nicht zahlen wollte und kokettiert mit dem schwarz-roten Anarchosyndikalismus.

Als er das väterliche Unternehmen an einen US-Konzern verkaufte, wollte er – wie manche der 68er Generation – von seinem Erbe nicht wissen. 30 Millionen D-Mark setzte er ein „für den Kampf gegen Ausbeutung, Unterdrückung, Diskriminierung und Armut… also damit auch gegen das kapitalistische System, das dieses Erbe möglich gemacht hatte”. So heißt es heute auf der Website der Stiftung.

Umverteilen als Stiftungsanliegen ist aber nicht ganz wörtlich zu nehmen, denn das gestiftete Kapital muss ja erhalten werden. Investiert hat es die Stiftung schon in den 80er Jahren in Immobilien, die an alternative Projekte vermietet wurden. Die Einnahmen finanzieren vor allem Projekte in der Dritten Welt. Ein frühes Beispiel für das heute immer mehr propagierte Mission Investing, das hier tatsächlich funktioniert.

Umverteilen durch Stiften, das ist aber auch jenseits einer exzentrischen Stifter-Persönlichkeit ein Thema, das genauere Betrachtung verdient. Die Frage, ob die Armen ärmer und die Reichen reicher werden und die Mittelschicht abrutscht, zieht sich seit Jahren als ein roter Faden durch die politischen Debatten. Wenn jüngst ein 25-jähriger Fußballspieler für eine Ablösesumme von 222 Millionen Euro den Club wechselte, ist das ein Beispiel für obszöne Entwicklungen unserer Geldkultur. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sagte dazu in diesem Frühjahr bei einer Rede in Harvard laut FAZ vom 27.5. 2017: „Es läuft etwas falsch mit unserem System, wenn ich hier mein Studium abbrechen und in zehn Jahren Milliarden von Dollar verdienen kann, während Millionen von Studenten ihre Kredite nicht bezahlen können, geschweige denn in der Lage sind, ein Unternehmen zu gründen.”

Auch Zuckerberg will sein Vermögen, das auf über 50 Milliarden Dollar geschätzt wird, in eine Stiftung einbringen. Schafft das mehr Verteilungsgerechtigkeit?

Wenn es um Geld, Gesellschaft und Gerechtigkeit geht, tauchen wir in ein argumentatives Chaos ein. Will man etwas Ordnung hineinbringen, ist zuallererst zwischen Einkommen und Vermögen zu unterscheiden. „Die Zahl der Einkommensmillionäre wächst spürbar”, wusste die FAZ vom 29.6 2017 zu berichten. Das reichste Zehntel der Steuerzahler mit durchschnittlich 2,7 Millionen Euro Jahreseinkommen umfasste 2017 nur 17.400 Steuerpflichtige, die fast 57% der Einkommenssteuer aufbrachten. Die unteren 50% Einkommensteuerpflichtigen trugen dagegen nur 4,7% zum Steueraufkommen bei. Die Lasten des gesellschaftlichen Daseins werden durch die Reichen getragen, suggeriert dieses Bild. Der aktuelle Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hält dagegen, dass die realen Brutto-Stundenlöhne der unteren 40% der Arbeitnehmerschaft 2015 niedriger gewesen seien als 1995.

Tatsächlich zeigen Einkommen und Steuern nur einen Teil des Bildes. Zur Vollständigkeit gehört das Vermögen. Der jüngste Global Wealth Report der Allianz Versicherung sieht 69 Prozent der Weltbevölkerung in der Vermögensunterklasse, die nur 5% am globalen Nettogeldvermögen hält. Würde man nicht nur Geld- sondern auch Produktivvermögen betrachten, würden die Armen noch weniger auf die Waage bringen. Die britische Wohltätigkeitsorganisation Oxfam rechnet vor, dass die 10 reichsten Männer auf unserer Erde ein größeres Nettovermögen besitzen als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. In Deutschland verfügen laut Oxfam 36 Milliardäre über so viel Vermögen wie 40 Millionen ärmere Bewohnerinnen und Bewohner. Wenn diese Milliardäre stiften, was ändert das?

Dabei lohnt es beim Vermögen die “Fruchtziehungsrechte” und die Verfügungsgewalt zu unterscheiden. Erstere betreffen die Erträge oder das Einkommen aus Vermögen, die zweite betrifft das unternehmerische Handeln oder die Entscheidung von Investoren. Vermögenseinkommen wird bei uns weitgehend quellenbesteuert. So kann sich theoretisch ein Alleinaktionär eines Unternehmens in der Einkommenssteuer-Statistik unter den Ärmsten finden, während sein Manager zu den Topverdienern gehört, möglicherweise aber kaum Vermögen besitzt. Wenn „Geld geprägte Freiheit” ist, wie Dostojewski aus dem Beobachtung eines Zuchthaus geschlossen hat, dann geht es für die große Mehrheit der Menschen um Arbeits- und Vermögenseinkommen, während das Interesse an der Verfügungsgewalt wenig ausgeprägt sein dürfte – jedenfalls solange man selbst nicht negativ von Entscheidungen betroffen ist.

Wenn Kapital auf Stiftungen übertragen wird, ändert sich an der Verfügungsgewalt strukturell kaum etwas. Es bleiben Wenige, die über Wohl und Wehe eines Unternehmens oder eines Finanzinvestments entscheiden. Die Früchte des Vermögens stehen auch nicht denen zu, die vermögenslos oder vermögensarm sind. Sie werden von der Stiftung für satzungsmäßig bestimmte Zwecke eingesetzt: von Bildung über Wissenschaft und Kunst bis zu Umwelt und Völkerverständigung. Dazu kann auch die Hilfe für Arme und Benachteiligte gehören. Für Zuwendungen an sie gibt es den steuerlichen Begriff der „Mildtätigkeit”. Er erlaubt Zuwendungen in den engen Grenzen des Sozialgesetzbuches. Ernsthaftes Umverteilen ist mit diesen – für die Betroffenen sehr wichtigen – Pflästerchen nicht möglich.

Allerdings können Stiftungen mit ihren Projekten und Förderungen gesellschaftliche Leistungen kostenfrei oder verbilligt anbieten, die das Leben der Ärmeren bereichern: kostenlose Bildung und Kultur, Parks und Schwimmbäder, Beratung und Ertüchtigung aller Art beispielsweise. Das ist nicht gering zu schätzen. Die Stiftung bietet sogar ein Modell, bei dem die unternehmerische Verfügungsgewalt defacto beim Stifter (und eventuell sogar seinen Nachkommen) verbleibt, während die Früchte der Gesellschaft zugute kommen.

In einer Gesellschaft wachsender Ungleichheit können Stiftungen eine mildernde Rolle spielen sowie ein Beispiel für verantwortungsvollen Umgang mit Geld und Reichtum geben. Zur Vermögensumverteilung taugen sie eher nicht.

Die extremen Diskrepanzen zwischen dem Durchschnitt von Arbeitnehmereinkommen und den Vergütungen von Spitzenmanagern, Finanzagenten oder einigen Stars sind kulturelle Entgleisungen, die allgemeine Empörung verdienen. Hohe Vermögen gehören bei der Erbschaftssteuer nicht wegen vermeintlicher Arbeitsplatzsicherung verschont, sondern in biblischer Tradition und gemäß dem Gedanken der Leistungsgesellschaft gekappt. Dabei können Arbeitsplätze durchaus unter Einsatz von Stiftungslösungen gesichert werden. Und Vermögensbildung bei der Masse der Bevölkerung ist keine Aufgabe von Stiftungen sondern staatlicher Förderung, die seit Adenauers und Erhard Zeiten noch nie so schlecht war wie seit Schröders Kanzlerschaft.

Weise Entscheidungen im Umgang mit Geld wünscht Ihnen
Ihr
Wolf Schmidt

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