Stifterberatung: schwierig

Gibt man bei Google „Stifterberatung“ ein, wird sogleich nachgefragt, ob man nicht eher „Stiftungsberatung“ meinte. Tatsächlich unterscheiden sich Stiftungsberatung und Stifterberatung erheblich. Bei ersterer geht es primär um die Optimierung existierender Stiftungen. Bei der Stifterberatung dagegen in der Regel um einen Prozess, der zur Stiftungsgründung führt.

Oder besser gesagt zur Stiftungsgründung führen soll und noch genauer: hätte führen können. Denn eine ernüchternde Erfahrung aus meiner Stiftungspraxis lautet: Von denen, die als Stiftungswillige Rat suchen, lassen die wenigsten die Gründung Wirklichkeit werden.

Um sich nicht in hochfliegenden Ideen der Stiftungsarbeit ohne reale Basis zu verlieren, habe ich mir angewöhnt, in der Stifterberatung mit den rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen zu beginnen. Dabei fällt bereits die Mehrheit der Stiftungswilligen aus, weil sie nicht selbst über das Gründungskapital von allermindestens 50.000 Euro verfügen oder ein Vermögen in die Stiftung einbringen wollen, das statt ertragbringend vielmehr ertragzehrend ist. Mag das Schloss oder die Sammlung Millionen wert sein, sie geben kein Gründungskapital her, wenn die Stiftung diese Werte nicht aktivieren kann sondern im Gegenteil aus dem Nichts Unterhalt und Pflege des Vermögens finanzieren soll.

Nicht wenige haben die erbrechtlichen Dimensionen einer Stiftungsgründung nicht im Blick oder missverstanden. Sie sind überrascht, dass Pflichtteilsansprüche in der Familie geklärt werden müssen beziehungsweise die Stiftung sich nicht eignet, ungeliebte Kinder komplett zu enterben. Ein weiterer Teil ist Legenden über Steuervorteile und private Vorzüge aufgesessen. Da wird die privatnützige Familienstiftung mit einer gemeinnützigen Stiftung verwechselt oder man hat von der „Stifterrente“ gehört und stellt sich vor, damit einen Rückfluss aus der steuerbegünstigten Stiftung in das Privateinkommen zu organisieren. Das ist tatsächlich eine hoffentlich nie greifende Notfallregelung ohne Anspruch im Sinne einer Versicherungspolice.

Wer nach diesen Vorklärungen der Stifterberatung noch für eine Stiftungsgründung in Frage kommt, ist vom Gründungsakt – dem Stiftungsgeschäft – immer noch weit entfernt.

Zunächst geht es wieder um die finanzielle Ausstattung – nicht nur der Stiftung sondern auch des Stifters. Immer wieder sehe ich mich auch in der Rolle, Stiftungswillige davor zu bewahren, sich allzu unbedacht zu entreichern. Jenseits eines möglicherweise bescheidenen Lebensstandards sollten noch angemessene Reserven bleiben für Unwägbarkeiten des Lebens wie eine teure Therapie bei schweren Erkrankungen, eine neue Liebe oder soziale Notfälle in der Familie.

Wichtig ist in der Stifterberatung auch das soziale Netz eines Stiftungsprojekts. Stiftungsabsichten entstehen nach meiner Erfahrung häufig ziemlich einsam. Da wissen gelegentlich nicht einmal Ehepartner und Kinder von den Überlegungen. Mitstreiter sind nicht erkennbar oder andersherum in ihren eigenen Interessen allzu leicht durchschaubar.

An dieser Stelle kommt häufig auch der Aufwand einer Stiftung zur Sprache. Viele Stiftungswillige interessieren sich zwar für eine Stiftung, scheuen aber die damit verbundenen formalen Aufgaben von Sitzungen, Protokollen, Berichten an die Stiftungsaufsicht, Steuererklärungen, Websites und was alles nötig oder sinnvoll sein mag.

Erst dann geht es um den Kern der Stifterberatung, den Zweck der Stiftung – und das nicht nur im Sinne der Abgabenordnung mit Schubladen wie „Bildung“, „Wissenschaft“ oder „Kultur“. Wer eine Stiftung gründet, sollte eine Idee haben, was sie fördern oder mit eigenen Aktivitäten bewegen, was ihr Spezifikum sein soll. Hier begegne ich dem ganzen Spektrum zwischen Ratlosigkeit, was man vorantreiben könnte, und sehr präzisen oder gar starren Vorstellungen. Ich sehe an dieser Stelle mein Rolle darin, einerseits Ideen und Möglichkeiten aufzuzeigen ohne Ratsuchende zu irgendetwas zu überreden, andererseits bei bereits gereiften Absichten auf existierende Erfahrungen und mögliche Tücken aufmerksam zu machen.

Es gibt Stifter die genau wissen, was sie wollen, hinreichende Mittel zur Verfügung stellen und entschlossen auf ihr Ziel zusteuern. Da geht es bei der Stifterberatung mehr um Detailfragen. Für andere Stifter in spe sind Beratungsprozesse leicht mit einer gewissen Verunsicherung verbunden.

Gelegentlich frage ich mich, ob ich nicht einfach mehr bestärken sollte – nach dem Motto: Wenn der Rubikon erst einmal überschritten ist, wird sich alles Weitere schon finden. Und ein Vertrag für eine Treuhandstiftung mit einem verführerischen Rundum-Sorglos-Paket für den Stifter könnte auch schnell zur Hand sein…

Aber das verbieten mir Respekt und Verantwortung gegenüber Stiftungswilligen, die im vertraulichen Gespräch doch viel Persönliches von Vermögensverhältnissen bis zu familiären Konstellationen offenbaren. Das ist auch der Unterschied zwischen Stifterberatung und Finanzberatung: ich habe kein Interesse „Produkte“ anzubieten. Auch für das Stiftungswesen wäre wenig gewonnen, wenn eine auf ewig angelegte Rechtshülle in die Welt gesetzt wird, der finanzielle und ideelle Substanz fehlen.

Mein Prüfstein für die Ernsthaftigkeit der Stiftungsabsicht ist einfach: Lässt sich der Ratsuchende nach einer ersten honorarfreien Stifterberatung, bei der sich Potentiale und Probleme herausschälen, auf professionelle Unterstützung ein? Wer nicht bereit ist, einen minimalen Prozentsatz der Gründungsfinanzierung für Beratung einzusetzen, sollte vielleicht besser die Finger vom Projekt Stiftung lassen.

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