Nichts währt ewig – das gilt auch für Stiftungsprojekte. Aber der Exit aus einem etablierten Projekt stellt Stiftungen vor das eine oder andere Dilemma.
„Ade, Chamisso-Preis?“ So titelten die Autoren Ilija Trojanow und José F. A. Oliver am 20. September in der FAZ. Sie veröffentlichten und skandalisierten die für 2017 geplante Einstellung des Preises, mit dem die Bosch-Stiftung seit 1985 deutschschreibende Autoren nichtdeutscher Herkunft auszeichnet – darunter die beiden Verfasser des Artikels. Dem Bosch-Argument, der Preis habe seine Ziele erfüllt, weil Autoren mit Migrationshintergrund heute auch die üblichen deutschen Literaturpreise gewinnen könnten, begegnen die beiden Preisträger mit Empörung: „Da bleibt einem die Spucke weg.“ Die Bosch-Stiftung habe „offenbar von vornherein eher ein diakonisches“ Bestreben gegenüber Migrationsliteratur verfolgt. Nachdem das „Mündel“ aufgepäppelt erscheine, könne man es verabschieden. „Diese Haltung ist eine paternalistische, also genau das, was Migranten und Geflüchtete auf den Tod nicht ausstehen können.“
Reaktionen dieser Art kennen wohl die meisten Stiftungen, die bei Beendigung langjähriger Engagements auf dankbares Bedauern gehofft und stattdessen bittere Infragestellung geerntet haben. Ein kluger Aphorismus besagt, Dankbarkeit sei ein Gefühl auf halbem Wege zwischen einer empfangenen und einer erwarteten Wohltat. Beim Exit aus Stiftungsprojekten liegt das Dilemma aber noch auf einer anderen Ebene.
Stiftungen reklamieren für sich eine Privatautonomie, in der sie – abgesehen von der formalen Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsaufsicht – mit Projekten und Programmen frei schalten und walten können. Gleichzeitig wollen sie gesellschaftliche Bedarfe entdecken oder wecken, um sie zu befriedigen – gerne unter öffentlichem Applaus. Ein Publikum wird so an diese Bedarfsdeckung gewöhnt und glaubt schließlich, eine Art Anspruch darauf zu haben. Ob es da um einen Preis, ein internationales Austauschprogramm, einen Wettbewerb, ein Stadtteilzentrum oder einen ökologischen Schulbauernhof geht: die Muster sind ähnlich. Das gilt sogar dann, wenn schon bei Projektstart das Ende nach fünf oder zehn Jahren angekündigt wurde.
Exit-Gründe können sehr unterschiedlich sein, zum Beispiel kann Befristung Prinzip oder ein Projekt nicht mehr erfolgreich sein. Es können finanzielle Mittel nicht reichen oder das erfolgreiche Projekt-Wachstum kann die Kapazitäten der Stiftung übersteigen. Vielleicht will sich die Stiftung auch nur anders ausrichten. Fest steht wohl: Wer Beweglichkeit erhalten will, muss gelegentlich Ballast der Stiftungsgeschichte abwerfen. Wenn dann niemand protestiert, hat man die Dinge wahrscheinlich schon zu lange laufen lassen. Andererseits ist jeder Exit aus einem bewährten Vorhaben mit dem Risiko behaftet, es durch ein schwächeres zu ersetzen.
Welche Optionen hat die Stiftung im Exit-Dilemma? Der Strategie-Baukasten bietet dafür drei große Fächer: Trägerwechsel, Ausgründung und Einstellung.
Der Trägerwechsel lässt sich in zwei Richtungen denken. In der ersten Variante zielt die Stiftung mit ihrem Projekt auf den Staat. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Öffentliche Hand ein Stiftungsprojekt in den stiftungstypischen Strukturen übernimmt. Realistisch ist es dagegen, mit einem Projekt experimentell neue Verfahren z. B. für Bildungssektor, Bürgerbeteiligung, Umweltschutz, Kulturarbeit, Integration zu entwickeln und als nützlich nachzuweisen, die dann staatlicherseits implementiert werden. Damit endet das Stiftungsprojekt, die Leistung für die Gesellschaft bleibt aber erhalten und wird möglicherweise sogar noch ausgedehnt.
Die zweite Variante läuft darauf hinaus, das Projekt einer anderen Stiftung zu übergeben. Das funktioniert in Ausnahmefällen. So hat die Stiftung Mercator von der Bosch Stiftung das Kolleg für internationale Aufgaben und von der Körber-Stiftung das Schultheater der Länder übernommen. Meist wollen Stiftungen aber den Beigeschmack vermeiden, ein Gebraucht-Projekt weiterzuführen.
Die Ausgründung ist – wenn sie gelingt – sicher eine elegante, aber in der Regel auch die teuerste, Methode des Exits. Elegant, weil die Erfolgsgeschichte unterstrichen und fortgeschrieben wird. Teuer, weil meist eine erhebliche Mitgift oder auch dauernde Kofinanzierung erforderlich ist. Beispiel einer solchen Ausgründung sind die Start-Stipendien der Hertie-Stiftung für Schuljugendliche mit Migrationshintergrund. Aus einem 2002 geschaffenen Hertie-Programm wurde schließlich die Start-Stiftung als gGmbH mit der Hertie-Stiftung als Alleingesellschafterin. Die neue selbstständige Trägerin ermöglicht wiederum die Einbindung einer großen Zahl von kofinanzierenden Partnern.
Die Einstellung des Projekts dagegen ist die harte Tour, die einen klaren Schnitt bringt, aber auch die Gefahr birgt, verbrannte Erde zu hinterlassen.
Die Frage nach den Exit-Optionen sollte bei jeder Planung eines neuen Projekts von vornherein mit bedacht werden. Je enger und geschlossener ein Projekt konzipiert wird, umso drängender kann ein Exit bei veränderten Rahmenbedingungen werden. Alternativ könnte sich die Stiftung auf die Entwicklung von Projekt-Instrumenten konzentrieren, die flexibel für Themen, Trends und Zielgruppen einsetzbar sind, zum Beispiel Wettbewerbe, Advocacy, Bürgerbeteiligung, Selbsthilfe oder Ideenworkshops. Jedenfalls gehören Exits aus Projekten und Programmen zu den größten Herausforderungen von Stiftungsmanagement und Stiftungskommunikation. Deshalb verdienen sie mehr systematische Aufmerksamkeit.