Impact Investing: meist ein Irrweg

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat in den letzten Jahren das Impact Investing und Mission Investing als Gebot der Renditestunde propagiert. Wer sich nicht auf diesen Weg macht, steht schnell als Gestriger da, der die Zeichen der Zeit nicht erkennt – zu Unrecht, wie ich meine. Dabei denke ich an die Masse der Stiftungen, die nicht über ein hohes Millionenvermögen verfügt.

Worum geht es beim Impact Investing?

Beherrscht wird das Stiftungswesen vom Vier-Sphären-Modell der Abgabenordnung: ideelle Zweckverfolgung (= Förderungen und operative Eigenprojekte), wirtschaftlicher Zweckbetrieb, der z.B. über Seminare oder Buchverkäufe mit satzungsmäßiger Zweckverfolgung Einnahmen erzielt, wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, der mit dem Stiftungszweck nichts zu tun hat und voll steuerpflichtig ist (z.B. die Vermietung von Stiftungsräumen für eine private Feier) und schließlich die Vermögensverwaltung.

Bei letzterer agiert die Stiftung wie ein ganz normaler privater Investor, der sich unternehmerisch nicht einmischt und an Rendite interessiert ist, nur dass die gemeinnützige Stiftung Ausschüttungen steuerfrei vereinnahmt. Während der Privatinvestor möglicherweise mit seinem Geld auch spielen darf, unterliegt die stifterische Vermögensverwaltung dem obersten Gebot des Vermögenserhalts und gleichzeitig dem Gebot ertragbringender Vermögensanlage, das heißt z.B. das Vermögen nicht in Gold anzulegen.

Das Gemeinnützige der Stiftung spielt rechtlich für die Auswahl der Investments keine Rolle. Dennoch wird sich eine Stiftung z.B. mit Wohnimmobilien immer überlegen, ob sie sich bei ihren Geringverdiener-Mietern eher am unteren oder am oberen Rand des Mietpreisniveaus bewegen will. Oder eine Beteiligungsträgerstiftung, ob sie in ihrem Unternehmen eher auf knallharte Profitmaximierung oder arbeitnehmerfreundliche Geschäftspolitik drängt. Eingebürgert hat sich das „schadet-nicht-Prinzip“, das heißt, die Vermögensanlage sollte nicht die Stiftungszwecke konterkarieren. So wird eine Friedensstiftung kaum Rüstungsaktien ins Depot legen.

Impact Investing verfolgt einen anderen Ansatz. Es geht darum, mit der Vermögensanlage bewusst erwünschte gesellschaftliche Wirkungen zu erzielen, z.B. im Bereich Klima, Flüchtlinge, Tierschutz oder Altenpflege. Dabei ist es relativ witzlos, sich im Mainstream zu bewegen. Das Wirkungspotential wächst mit Risiko und – jedenfalls absehbar – geringer Rendite der Anlage, denn das sind Investments, die es am normalen Kapitalmarkt schwer haben.

Mission Investing oder Mission Related Investing gilt als Königsklasse des Impact Investing. Die „Mission“ beschreibt die Stiftungs- bzw. Satzungsziele im engeren Sinne. Mission Investing ist als passgenaues Pendant zur Förderung im ideellen Bereich zu verstehen. Zum Beispiel könnte eine Krebsforschungsstiftung Teile ihres Vermögens in einem Startup anlegen, das kommerziell eine neue Krebstherapie auf den Markt bringen will. Oder eine Bildungsstiftung beteiligt sich an einem Fonds für Studienkredite, die verzinslich zurückzuzahlen sind.

Das alles klingt zunächst einleuchtend und erscheint umso attraktiver, je niedriger sich die Zinsen am Kapitalmarkt bewegen. Ist es nicht clever, statt mickriger Erträge das Vermögen zur Verfolgung des Stiftungszwecks einzusetzen? Gerade, wenn man zu der Zwei-Drittel-Mehrheit der deutschen Stiftungen gehört, die über weniger als 1 Mio. € Vermögen verfügen? Zum Beispiel 3.000 € Jahresertrag lohnen kaum den Sitzungsaufwand, aber 300.000 € aus dem Kapital zweckgerichtet investieren, das wäre doch was…

Was spricht dagegen?

Erstens rechtliche Bedenken: Die Anlage des Vermögens muss unter den Gesichtspunkten Ertragserhöhung und Risikovermeidung stattfinden. Wer relevante Vermögensanteile in gutwillinge, aber riskante Unternehmen – gar noch unterhalb marktüblicher Zinsen – investiert, handelt pflichtwidrig. Gerade die vielen Projekte, die irgendwie „sozial“ firmieren – ob nun mit oder ohne Gemeinnützigkeitsstatus – brauchen häufig Kapital, um Immobilien, Ausstattung oder den Geschäftsstart zu finanzieren. Die Rückzahlung dieser Einlagen mit Zinsen ist trotz Erfolg versprechender Businesspläne vielfach illusionär. Wer einem solchen Projekt, soweit es gemeinnützig ist, eine Zuwendung aus den Stiftungerträgen gegen Spendenbescheinigung macht, kann ruhig schlafen. Wer Gelder aus dem Vermögen als Investment gibt, muss sich auf Albträume gefasst machen.

Das führt zum zweiten Einwand. Anders als locker in die Welt gesetzt, sind Zahl und Volumen von Kapitalnachfragen, die strengen Wirkungskriterien ebenso standhalten wie einer banküblichen Risikobewertung und sich trotzdem am normalen Kapitalmarkt nicht finanzieren können, gering. Der Prüfungsaufwand für eine Stiftung ist aber hoch, das heißt, die Transaktionskosten mindern die Rendite. Auch wenn die Investments durch Akteure des Finanzmarkts schon geprüft und z.B. in Fonds gepoolt sind, fallen sie an – neben all der Unsicherheit, welchen Bären einem die Finanzvertriebler aufbinden.

Dritter Einwand: Gerade bei kleinen Stiftungen, denen Impact oder Mission Investing als Wirkungskur gegen Ertragsschwund empfohlen wird, entsteht schnell ein gefürchtetes Klumpenrisiko, wenn z. B. 30 Prozent des Kapitals in ein Investment gehen. Für die großen etablierten Stiftungen, die meist auch weniger unter der Niedrigzinspolitik leiden, ist dagegen Mission Investing als Beimischung in einem großen Portfolio eine sehr gute Idee.

Vierter Einwand: Gerade beim bloßen Impact Investing ist die Idee der „guten“ Wirkung ziemlich unreflektiert. Wer die Bedrohung durch Putin fürchtet, wird vielleicht in deutsche Drohnenproduktion investieren. Wer keine andere Möglichkeit sieht, mit den Mitteln des Marktes Kinder vor dem Verhungern zu schützen, mag in Kinderarbeit Geld anlegen. Ein anderer geht vielleicht ins Marihuana-Business, um den Drogenkonsum zu entkriminalisieren.

Fünfter Einwand: Wenn Profit und Nonprofit nicht mehr durch die chinesische Mauer des Vier-Sphären-Modells geschieden sind, gerät Wohlsortiertes aus dem Gleichgewicht: Können wir unser Investment auch mit einer Förderung aus der ideellen Sphäre unterstützen? Wie hübschen wir renditeschwache Anlagen mit Wirkungsfantasie auf oder wie interpretieren wir in gute Ertragsbringer noch zusätzlich schöne Zwecke hinein? Für die Werbeleute der sogenannten Finanzindustrie tut sich jedenfalls ein neues Feld auf, neben all dem grünen, ethischen und nachhaltigen Wortgeklingel weitere dekorative „Impacts“ für ihre „Produkte“ zu erfinden.

Sechster Einwand: Das Alleinstellungsmerkmal gemeinnütziger Institutionen besteht darin, uneigennützig Leistungen anzubieten, die auf einem kommerziellen Markt nicht zustandekommen: z.B. Stipendien für Talentierte, Hilfen für Benachteiligte, Symposien und Wettbewerbe, Preise für herausragende Leistungen, Pflege von Denkmalen und Naturflächen, Kunstausstellungen und vieles mehr. Uneigennützig heißt, dass damit auch keine Intention z.B. von Imageförderung für ein Unternehmen im Mittelpunkt steht wie etwa bei Corporate Social Responsibility. Impact Investing bringt zumindest Unschärfen in dieses Alleinstellungsmerkmal.

Siebter Einwand: Mission Investing verschiebt den strategischen Fokus von Stiftungsarbeit. Im etablierten Verständnis sollten Stiftungen vor jedem eigenen Engagement mit Fördergeld oder operativen Projekten fragen, ob die Aufgabe auch kommerziell zu lösen wäre. Wenn ja, spricht das gegen ein Engagement – nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt, dass kommerzielle Projekte in der Regel nachhaltiger und skalierbarer sind als gemeinnützige. Bei einer Impact-orientierten Vermögensanlage dreht sich die Fragestellung leicht um: Können wir aus der Förderidee nicht besser eine Geschäftsidee machen? Förderungen drohen dann zum traurigen Rest zu werden, mit dem Stiftungsmanager keine Meriten einfahren können.

Achter Einwand: Es trifft zwar zu, dass das alte Argument für eine (Zu-)Stiftung – dauernder Nutzen statt kurzes Strohfeuer – bei heutigen realen Minusrenditen nicht mehr überzeugt. Wer allerdings stattdessen rentierliche Investments für positive gesellschaftliche Wirkungen propagiert, sägt den Fundraising-Ast ab, auf dem wir sitzen. Denn solche Investments kann der potenzielle Spender oder Stifter auch gleich selbst tätigen. „Investieren statt Spenden“ lautete im jüngsten Stiftungsmanagement-Magazin der BW-Bank eine Schlagzeile. Wenn das Schule macht…

Wohlgemerkt: Auch Stiftungen sollten ihr Vermögen entsprechend der Grundgesetz-Norm anlegen: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Aber das sollten sie bitte nicht vermischen und verrechnen mit dem, was sie an ideeller Zweckverwirklichung aus Vermögenserträgen, Spenden und Zweckbetriebseinnahmen leisten.

Gute Rendite wünscht Ihnen
Ihr
Wolf Schmidt

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