Stiftungen und politische Arena

Zum Jahresende denkt mancher Mitbürger noch einmal über Kontostand und Steuern nach. Schließlich beteiligt sich das Finanzamt mehr oder weniger großzügig an Spenden und Zustiftungen. In Zeiten verschärfter Politisierung mag man auch eine Zuwendung an eine unterstützungswürdige Partei in Erwägung ziehen. Aber Vorsicht: Die steuerliche Berücksichtigung von Parteispenden endet bei maximal 3.300 € bzw. 6.600 € für Zusammenveranlagte. Spendet man dagegen einer gemeinnützigen Organisation, sind Spenden in Höhe von 20 Prozent des zu versteuernden Einkommens steuerwirksam. Hinzu kommt der Sonderausgabenabzug für Zustiftungen in Höhe von 1 Mio. EUR (2 Mio. bei Zusammenveranlagung) innerhalb von 10 Jahren.

Da liegt es doch nahe, seine politischen Ziele statt durch Parteispenden durch politisch aktive gemeinnützige Organisationen zu verfolgen. Ein Instrument dieser Art war bis zur Flick-Affäre und einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1979 die „Staatsbürgerliche Vereinigung e.V.“ Als Spendenwaschanlage bot sie einen doppelten Vorteil durch Umgehung der steuerlichen Deckelung von Parteispenden und der gesetzlich vorgeschriebenen Transparenz derselben. Über 200 Millionen D-Mark flossen so den Bundestagsparteien zu.

Die Frage, wie sich Stiftungen in der politischen Arena bewegen sollten, ist vor diesem Hintergrund brisant. Gerade der von vielen Stiftungen vertretene Reformanspruch führt unweigerlich in politische Gefilde.

Just diesen Monat hat z. B. die Zeit-Stiftung eine „Digital Charta“ vorgestellt. Die Stiftung hat für dieses Projekt mehr als fünf Dutzend kompetente und angesehene Persönlichkeiten versammelt, die sich für „Vorschläge zur Autonomie und Freiheit des Einzelnen, zum Einsatz und zur Entwicklung künstlicher Intelligenz, zu informationeller Selbstbestimmung und Datensicherheit und zu weiteren wichtigen Aspekten wie Hetze und Hass im Netz“ einsetzen. Ziel der Charta ist über eine gesellschaftliche Debatte hinaus „die Befassung im Europäischen Parlament“. Es handelt sich ganz offenkundig um eine politische Intervention.

Mir ist diese Charta sehr sympathisch. Trotzdem die Frage: Darf die Stiftung das?

Rüdiger Frohn, ehemaliger Chef des Bundespräsidialamtes und heutiger Beiratsvorsitzender der politisch durchaus markanten Stiftung Mercator GmbH hat gerade Überlegungen zu „Stiftungen -Wissenschaften – Politik. Chancen und Grenzen wissenschaftlicher Politikberatung durch Stiftungen“ publiziert, die ebenso differenziert wie bedenkenswert sind. Sein Credo:

„Natürlich spricht nichts dagegen, dass Stiftungen mit gesellschaftspolitischem Anspruch auch in Deutschland ihre Vorstellungen für die Zukunft der Gesellschaft formulieren und für den dazu notwendigen Wandel handeln und werben. Es kann aber nicht ihre Sache sein, ihn ‚herbeizuführen‘. Die Demokratie legt durch in Wahlen legitimierte Herrschaft fest, was sich wandeln soll, was also an die Stelle des Status quo treten soll und wie das mit Autorität durchgesetzt wird. Stiftungen haben dazu weder die Autorität noch die Legitimation….
Ihr Handeln soll Demokratie beleben und die Diskussion um Bewahrung und Veränderung beflügeln. Auf Entscheidungs- oder Bestimmungsmacht sollte bewusst verzichtet werden. In einer Gesellschaft, die gern laut ist und Urheberschaften für das Gute reklamiert (‚Mein Aufschwung‘) und das Nachteilige dem Gegner zuschreibt (‚Deine Arbeitslosen‘) fällt das schwer. Jedenfalls sollte diese Zurückhaltung der ‚Preis‘ sein, den Stiftungen für die Steuerprivilegierung zu zahlen bereit sein sollten.“

Die Frage nach dem Dürfen entscheidet sich allerdings nicht nur philosophisch an der Legitimität sondern auch am grausamen Kriterium der Finanzen. Der Anwendungserlass des Bundesfinanzministeriums vom 26.1. 2016 formuliert dazu unter Punkt 15 zu Paragraph 52AO:

„Politische Zwecke (Beeinflussung der politischen Meinungsbildung, Förderung politischer Parteien u. dgl.) zählen grundsätzlich nicht zu den gemeinnützigen Zwecken i.S.d. § 52 AO.
Eine gewisse Beeinflussung der politischen Meinungsbildung schließt jedoch die Gemeinnützigkeit nicht aus (BFH-Urteil vom 29.8.1984, I R 203/81, BStBl II S. 844). Eine politische Tätigkeit ist danach unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit nach den Verhältnissen im Einzelfall zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des gemeinnützigen Zwecks weit in den Hintergrund tritt. Eine Körperschaft fördert deshalb auch dann ausschließlich ihren steuerbegünstigten Zweck, wenn sie gelegentlich zu tagespolitischen Themen im Rahmen ihres Satzungszwecks Stellung nimmt. Entscheidend ist, dass die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft ist oder wird, sondern der Vermittlung der steuerbegünstigten Ziele der Körperschaft dient (BFH-Urteil vom 23.11.1988, I R 11/88, BStBl 1989 II S. 391).
Dagegen ist die Gemeinnützigkeit zu versagen, wenn ein politischer Zweck als alleiniger oder überwiegender Zweck in der Satzung einer Körperschaft festgelegt ist oder die Körperschaft tatsächlich ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck verfolgt.“

Aufgeschreckt wurde der gemeinnützige Sektor, als im April 2014 das Finanzamt dem „Attac Trägerverein e.V.“ die Gemeinnützigkeit mit Hinweis auf seine allgemeinpolitische Betätigung aberkannte. Im November dieses Jahres hat das Hessische Finanzgericht dagegen geurteilt, dass Attac als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung anzuerkennen ist. Im Endeffekt hat das Gericht die zweifellos politische Tätigkeit von Attac anders gewürdigt als das Finanzamt. Ob das Urteil Bestand hat, entscheidet sich voraussichtlich im Januar.

Der Fall zeigt, wie knifflig sich die Abwägungen zu politischen Aktivitäten gemeinnütziger Organisationen gestalten. Dabei ist es steuerrechtlich unerheblich, ob es sich um eine Stiftung, einen eingetragenen Verein oder z.B. auch eine gemeinnützige GmbH handelt.

Für die Praxis empfiehlt sich eine deutliche Unterscheidung von satzungsmäßig schlüssigem gesellschaftspolitischem Engagement einer Stiftung gegenüber partei- und tagespolitischen Positionierungen. Gesellschaftspolitische Interventionen sollten durch eigene Praxis-Erfahrungen von Stiftungen unterlegt sein. Im Kampf um politische Mandate und Machtverteilungen haben Stiftungen dagegen nichts zu suchen. Und gerade in Zeiten wachsender politischer Polarisierung sollten Stiftungen sich nicht politischem Lagerdenken unterwerfen sondern für sachbezogene Argumente in alle Richtungen dialogfähig bleiben. Das kann die besondere Stärke von Stiftungen in einer Gesellschaft sein, in der Parteivertreter auch außerhalb staatlicher Willensbildung vom Rundfunk über Gewerkschaften und Verbände bis zu den Kirchen Einfluss ausüben.

Ein erfolgreiches Jahr 2017 mit Mut und Umsicht in der politischen Arena
wünscht Ihnen
Ihr
Wolf Schmidt

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