Projekte mit Wirkung

Was ist die Rolle von Stiftungen? Sie sollen Wirkung erzeugen. Dazu können sie Fördergelder vergeben, Preise und Stipendien ausloben, Debatten organisieren, Probleme analysieren und Lösungsvorschläge entwickeln, Seminare veranstalten, gemeinnützige Einrichtungen verschiedenster Art unterhalten… Eine Schlüsselfrage operativer Stiftungsarbeit lautet immer wieder: Wie entsteht aus einer internen Projektplanung und dem Etat dazu eine gesellschaftliche Wirkung?
Dazu ein Beispiel vor einigen Tagen.
Ein vornehmes Gebäude in Berlin-Mitte. Im Lichthof machen sich vielleicht drei Dutzend Menschen mit Bohrschraubern, Latten und Steckverbindern aus Kunststoff gruppenweise hockend, stehend oder liegend zu schaffen – Frauen, Männer, Junge und Alte, Schlipse und Turnschuhe bunt durcheinander. Merkwürdige Konstrukte wie zum Beispiel ein „Windpflug“ entstehen. Wir sind in der Berliner Dependance der Bosch-Stiftung bei den „Neulandgewinnern“.
Das Neuland-Projekt hat die Bosch-Stiftung 2012 aus der Taufe gehoben. Die Idee ist, angesichts der Schrumpfungs- und Wanderungsprozesse gerade in ländlichen Räumen Ostdeutschlands neue Ansätze des Miteinander und der Daseinsvorsorge zu befördern.
In diesem Sinne sucht die Bosch-Stiftung laut Projektbeschreibung „Menschen, die ihr Umfeld, ihre Nachbarschaft in Zeiten von gesellschaftlichen Veränderungen selbst gestalten wollen. Die Ideen und Wege dürfen gerne unkonventionell sein. Sie sollen aber immer das Gemeinwohl und das Miteinander in den Mittelpunkt stellen, mit dem Ziel, Lebensqualität für alle zu erhalten oder zu schaffen. Bewerben konnten sich alle (z.B. Privatpersonen, Vereine oder Initiativen), die überzeugt sind, dass ihr Engagement, ihre Idee und ihr Vorhaben die Situation vor Ort positiv verändern werden und die überzeugt sind, dass ihr Beitrag vor Ort auch praktisch und nachhaltig umgesetzt werden kann.“
Den Neulandgewinnern gewährt die Bosch-Stiftung neben finanzieller Förderung ein Mentoring-Programm und organisiert Treffen wie die in Berlin.
Welche Wirkung die Bosch-Stiftung jeweils vor Ort mit ihrer Förderung erzielt, ist immer vom Einzelfall abhängig. Was sich aber im Lichthof in Berlin beobachten lässt, ist eine Wirkung ganz besonderer Art. Es ist die Wirkung von Menschen auf Menschen: Reflexion und Kreativität, Begeisterung, Anregungen geben und aufnehmen, Visionen ebenso wie praktische Schritte diskutieren. Es ist unübersehbar, dass dieses Zusammentreffen in der Unterschiedlichkeit von Gleich- oder ähnlich Gesinnten für alle eine Quelle von Kraft und Inspiration ist.
Ich halte diese schwer messbare Wirkung von Stiftungsarbeit, die man einfach erleben muss, für einen entscheidenden gesellschaftlichen Beitrag.
Die Rezeptur für Wirkung dieser Art ist gar nicht so schwierig. Es braucht auf Seiten der Stiftung Menschen, die klug eine gesellschaftliche Herausforderung aufnehmen und sich Gedanken über wirksame Hebel machen. Es braucht finanzielle Ressourcen, die nicht absolut hoch sein müssen sondern für die Zielgruppe Möglichkeiten jenseits des Üblichen eröffnen müssen. Wichtig ist ein packender Text, der die Idee vorstellt und zum Mitmachen animiert. Schließlich geht es darum, in einem sorgfältigen Auswahlverfahren die richtige Mischung von Persönlichkeiten, Ideen, Ansätzen und Erfahrungen zu komponieren.
Erfolgsentscheidend ist am Ende eine gute Balance zum einen der Impulse und der Steuerung aber auch Lernbereitschaft seitens der Stiftung und zum anderen der Autonomie der Beteiligten mit der Chance, eigene Wege auszuprobieren und der Toleranz für Fehler dabei.
Moderationstechniken, um den Austausch der Beteiligten herrschaftsfrei in Gang zu bringen und produktiv zu machen, sind unverzichtbar. Die Bosch-Stiftung hat dafür den Weg gewählt, Kooperation mit Handwerk anzuregen. Handwerk mit etwas dadaistischen Zügen bildet hier die Brücke zum gemeinsamen Reden und Nachdenken auf einer Ebene oberhalb des täglichen Kleinkrams. Tapetenwechsel gehört dazu. Ein anregender Ort abseits des Tagesgeschäfts ermöglicht die gedankliche Offenheit, eigenes Handeln kritisch zu reflektieren und aufnahmebereit für Impulse zu werden.
Was dabei für die Gesellschaft entsteht, ist neben praktischen Verbesserungen im Sinne der Projektziele eine Erfahrung von Wirkung in einem Gemeinwesen bei den Beteiligten. Angesichts verbreiter gesellschaftlicher Ohnmachtsgefühle ist das ein Lebenselixier für eine deliberative Demokratie, wie Jürgen Habermas sie fordert.
Solche gesellschaftspolitische Wirkung zu initiieren gelingt großen operativen Stiftungen wie Mercator, Bosch, Körber, Jacobs, Hertie, Zeit oder Polytechnischer Gesellschaft aber auch kleineren wie Ehlerding, Herbert Quandt, der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik oder etlichen Bürgerstiftungen.
Für den Erfolg ist Geld unverzichtbar. Wirkung dieser Art entsteht aber erst in Verbindung mit engagierter Haltung, Kompetenz, Experimentierfreude und Lernbereitschaft im Stiftungsteam. Wir brauchen mehr davon.

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